Lotus
Nelumbo nucifera
Der perfekte rosa-weiße
Blütenstern ist Sitz und Kindbett von Göttern. Auch essen kann man die Pflanze
– die Wurzelknolle, Samen und Sprossen werden in
ganz Asien genossen. Und sie ist Symbol dafür, wie aus Schmutz vollkommene
Reinheit erwächst, und zwar nicht nur metaphorisch, sondern auch physikalisch,
denn kein Staubkorn kann die Lotuspflanze besudeln. Lotusblätter werden weder
schmutzig noch nass.
Kindbett von Göttern: die Lotusblüte |
Der gelbe Nordamerikanische und der weiß-rosa Indische
Lotus bilden eine eigene Gattung Nelumbo;
im folgenden Beitrag werden wir uns den Indischen Lotus näher anschauen. Lotus und Seerosen werden oft
verwechselt. Die Blätter von Seerosen schwimmen auf dem Wasser, die großen
runden Blätterpfannen des Lotus schweben darüber. Regen benetzt
Seerosenblätter; von den Lotusblättern perlt er ab. Tatsächlich sind Seerosen
mit dem Lotus gar nicht enger verwandt – eine der nächsten Verwandten ist z.B.
die Platane.
Wasser perlt ab: der Lotuseffekt |
Aus asiatischen Sümpfen, Tümpeln,
Schlamm und Drecklöchern wächst der Lotus mit zwei oder mehr Meter langen
Stängeln aus seiner Wurzelknolle, dem Rhizom, über die Wasserfläche
hinaus. Dort entfaltet er seine runden, schildförmigen, bis 60 cm breiten
Blätterpfannen und seine rosa-weißen Blütenkelche. Sehr viele Staubbeutel umringen
ein zylinderförmiges Fruchtblatt, aus der die große Frucht des Lotus erwächst.
Sie hat auf ihrer Breitseite runde Einsenkungen, in denen sich je ein Samen
befindet. Jede dieser Senken ist die Kinderstube für eine neue Lotusblume – in
der Regenzeit gelangt Wasser in die Löcher; die Samen beginnen zu keimen. Die
morsche absterbende Frucht lässt bald den Kopf hängen, bis unter Wasser. Dort
entlässt sie die Keimlinge in das schlammige Keimbett, wo sie Wurzeln schlagen
und zu einer neuen Pflanze heranwachsen. Die Lotusblume ist unkompliziert in
ihrer Fortpflanzung; außer aus den Samen wachsen auch aus Bruchstücken des
unterirdischen Rhizoms ganze neue Pflanzen heran.
Große Blätterpfannen des Lotus |
Das natürliche Verbreitungsgebiet
des Lotus umfasst große Teile Asiens: China, Japan, Indien und Südostasien. In
Europa findet man sie in botanischen Gärten; in Mitteleuropa auch im Freien;
das Rhizom ist recht winterhart und keimt im Frühjahr wieder aus, während der
oberirdische Teil des Lotus im Herbst abstirbt. Das passt gut zum Befund der
Wissenschaft, wonach Lotus Kälte gut verträgt, weil die ursprüngliche Heimat
des Lotus die großen Gebirge Asiens sind. Wenn er auch Wärme nicht unbedingt
braucht, ist er doch äußerst lichthungrig.
In manchen Gegenden Australiens
und Europas hat sich der Lotus im Freiland ausgebreitet; in Italien findet er
sich zum Beispiel in drei flachen Seen, die Mantua in der Poebene umgeben.
Lotusfrucht mit Keimlingen; vor und nach dem Fall in das Keimbett im Wasser |
Om mani padme hum – o Kleinod im
Lotus: In der Vorstellung der Buddhisten ist Buddha ohne den Lotus nicht
denkbar. Der Legende nach ist Buddha aus einer Lotusblüte geboren – er ist das
Kleinod im Lotus. Auf unzähligen Abbildungen thront Buddha auf einer
halboffenen Lotusblüte, dem Symbol für das erwachende Bewusstsein. Buddha, der
Erleuchtete bewacht dieses Erwachen. Der Weg des Buddhisten ist der aus dem
Schmutz der verderbten Welt in die Reinheit des Nirwana. Was für ein
passenderes Symbol als den Lotus gäbe es dafür?
O Kleinod im Lotus |
Im Hinduismus steht die
vollkommene Symmetrie der Lotusblüte für die Vollkommenheit des Universums.
Ebenso ist Lotus Symbol der ganzen Schöpfung: Brahma, der Schöpfergott wurde
aus einem Lotus geboren, der aus dem Nabel Vishnus erwächst. Somit entsteht das
ganze Universum aus dem Lotus, mit dem Stängel, der sich aus dem Urmeer erhebt,
als Weltenachse.
Im hinduistischen Götterhimmel
steht der Lotus für Götter und mythologische Wesen: Der rote Lotus ist Symbol
für die Göttin des Glücks Sri Lakshmi; sie wird oft mit weißen Elefanten
dargestellt, den Glücksbringern par excellence. Im Yoga kennen wir den
Lotussitz; Lotus begegnet uns in unzähligen Darstellungen in Tempeln und
Pagoden. So ist das Dach des Taj Mahal eine umgekehrte; der moderne Baha’i
Tempel in Neu Delhi eine sich öffnende Lotusblüte.
Und wie – wer war’s noch gleich
–schon sagte: “Religion ist Lotus für das Volk“.
Lakshmi, die indische Glücksgöttin: Religion ist Lotus für das Volk |
Baha'i Tempel in New Delhi - ein sich öffnender Lotus |
Porzellan, Edelstahl, Glas – überall
im Haus, wo es besonders sauber sein soll, sind die Oberflächen glatt. Deshalb
ging Wilhelm Barthlott (70), Botanikprofessor und Direktor des botanischen
Gartens in Bonn, der Frage nach, warum Blätter mit glatten Oberflächen leicht
schmutzig werden, samtig-rauhe wie jene des Lotus aber ohne Makel bleiben:
Erde, Staub, Honig, Klebstoff (wahr!) – alles perlt restlos ab. Barthlott legte
Lotusblätter unters Elektronenmikroskop und siehe da: Millionen von winzigen
Wachspapillen bedeckten die Blattoberfläche*.
Diese Papillen machen die
Blattoberfläche, die Kutikula super-wasserabstoßend. Das hat mit den
Eigenschaften des Wassers selbst zu tun: Seine hohe Oberflächenspannung zwingt
es, sich zu Kügelchen zusammenzuziehen; auf den wächsernen kleinen Noppen des
Lotusblatt liegen die Wassertropfen nur mit ein oder zwei Prozent ihrer
Oberfläche auf – das Blatt wird praktisch nicht benetzt. Auch Schmutzteilchen
liegen locker auf den Wachspapillen auf. Schmutz haftet besser am Wasser als an
der Oberfläche des Blattes – Wasser perlt ab und nimmt die Schmutzteilchen mit;
das Lotusblatt bleibt ohne Makel.
"Der Lotuseffekt existiert nur in der Phantasie der Autoren" |
Unbeschmutzbar durch Lotuseffekt |
Der Herbst ist Grünkohlzeit. Koch W.
will es nicht gelingen, Grünkohlblätter zu waschen, sie wollen nicht nass werden. Doch ist das gar
nicht nötig: Die Blätter des Grünkohls arbeiten ebenso mit dem Lotuseffekt;
Schmutz perlt einfach ab. So ist es auch bei Kapuzinerkresse und bei vielen
Insektenflügeln, deren Sauberkeit für die Flugeigenschaften eines Tieres
überlebenswichtig sein können.
*10-20 micron hoch, 10-15 mikron auseinander stehend; 1
Mikron = 1 Tausendstel Millimeter
hier ein Video zum Lotuseffekt:
Bilder:
A.Schneider 3
Shin 1
Hdamm 1
A.Savin Wiki Photo Space 1
Xyzx124 1
Christophpostel.de 1
Mukki1
W. Barthlott1
Unbekannt/Gemeinfrei 1
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