Artocarpus altilis
Weltreich der Botanik
In den Jahrzehnten nach seiner Rückkehr von der Expedition
auf James Cooks Endeavour (s. Post vom Februar 2015) setzte
Joseph Banks Einfluss und Vermögen ein, um den Aufstieg Englands zum Weltreich voranzutreiben.
Er wurde zu einem der bedeutendsten Vertreter der Aufklärung im Königreich. Banks‘
Haus am Soho Square wurde zum Zentrum der botanischen Wissenschaft und
Treffpunkt von Wissenschaftlern aus aller Welt. Täglich traf man sich hier beim Lunch zu gelehrten Gesprächen und üppigen Mahlzeiten. Banks, der einmal als der
schönste Mann Englands gegolten hatte, trug schon bald eine ansehnliche Wampen
vor sich her. Die Gäste arbeiteten in der gigantischen, 20.000
wissenschaftliche Werke bergenden Bibliothek oder im Herbarien-Saal, wo
Tausende getrockneter Pflanzen aus aller Welt auf ihre Erforschung und
Klassifizierung warteten. Banks spann ein Netz von Kontakten zu Pflanzenlieferanten aus aller Welt: Händler, Diplomaten und Missionare schickten Pflanzen und Samen, auch Kapitän Cook brachte von seinen weiteren Reisen neue Spezies mit. Die neuen Zier- , Nutz- und Gartenpflanzen lösten zuerst im Adel, dann im Bürgertum die an eine milde Form von Irrsinn grenzende Hingabe der Engländer ans Garteln aus. *
Auch der König schätzte seinen Mann: 1773 ernannte George
III ihn zum Supervisor der königlichen Gärten von Kew, 1778 zum Präsidenten der Royal Society, der ruhmreichen Akademie der Wissenschaften. Über
vier Jahrzehnte sollte er ihr vorstehen; kein Geringerer als Isaac Newton war
einer seiner Vorgänger.
Er liebt Jackfrucht
|
Als Folge des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges waren in der Karibik Getreidelieferungen ausgeblieben. Auf den amerikanisch-englischen Zuckerrohrplantagen verhungerten in den Jahren 1780-1787 15.000 Menschen, die meisten davon Sklaven. Auf Auswege sinnend, erinnerte sich Joseph Banks der Brotfrucht oder Jackfrucht, die er auf Haiti kennengelernt hatte, als Kohlenhydratlieferant und Grundnahrungsmittel. Er hielt die Frucht für ideal, um die Sklaven der Karibik ("Westindiens") zu ernähren, um sie gesund und kräfig zu erhalten, damit sie auf den Plantagen umso besser schuften konnten.
Das Panem aus Nesien
Der Brotfruchtbaum stammt aus Südostasien, genauer aus
Poly-, Micro- und Melanesien. Schon vor 3000 Jahren wurde die Pflanze auch in
Südindien und Sri Lanka angebaut. Auf Hawaii ist sie seit mindestens 1000
Jahren bekannt. Ihr Name sagt es: Die Früchte des Brotfruchtbaums (Jackfruit - Jackfrucht) sind in den Tropen ein weit
verbreitetes Grundnahrungsmittel; sie werden bis 6 kg schwer.
Der Baum wird bis 20 m hoch, die Blätter sind gelappt und
bis 60 cm lang. Sein Anbau ist unkompliziert, aus Stücken von Wurzelsprossen
oder -Schösslingen treiben neue Pflanzen aus. Der Brotfruchtbaum beschattet den
Boden und schützt ihn mit seinen Wurzeln vor Erosion durch die tropischen
Regenfälle. Dort, wo der Baum andere Feldfrüchte ersetzt, reduziert er auch die
für die Fruchtbarkeit und den Erhalt des Bodens gefährlichen Brandrodungen.
Brotfrucht- Blatt, Blüte, Frucht
|
Kartoffel der Karibik
Nach drei bis fünf Jahren trägt der Brotfruchtbaum erste
Früchte; danach noch Jahrzehnte lang. Je nach Sorte ist die Schale der
Früchte glatt, rauh oder stachlig.
Außerst vielfältig ist auch die Art der Verwendung. Die
Frucht kann in jedem Reifestadium genossen werden, unreif als Gemüse oder Mus,
reif als ganze rohe Frucht oder getrocknet und zu Mehl vermahlen.
Man kann die Jackfrucht frittieren, braten, backen oder kochen - eine Kartoffel
der Karibik.
Auf Hawaii forscht das an den dortigen Botanischen Garten
angeschlossene Breadfruit Institute an
der Brotfrucht und fördert deren Verbreitung weltweit in den Tropen. Dort
werden alle der Dutzende von Varietäten gezüchtet und gesammelt (Breadfruit Collection) oder in der Global Nutrition Initiative eingesetzt.
Autoritäte Autorität
Joseph Banks
machte den Lobbyisten für die westindischen Plantagenbesitzer, die den Transport der Brotfrucht in die Karibik nicht selbst finanzieren wollten. Schließlich
rüstete die Krone ein Schiff aus, das Brotfruchtsamen und –Stecklinge von
Tahiti nach Westindien bringen sollte. Joseph Banks bestimmte bis ins letzte
Detail, wie das Vorhaben ablaufen sollte. Er hatte die Autorität – und er war
autoritär, übte die die totale Kontrolle aus. Das Schiff war eine schwimmende
Gärtnerei, der Bug voller Fässer, die in Tahiti mit bestem Wasser gefüllt
werden sollten, damit David Nelson, der von Sir Joseph mitgeschickte Gärtner,
die Stecklinge vom Salzwasser reinigen konnte. Das faulige Wasser, das die
Matrosen bekamen, war einer der Gründe für die späteren Geschehnisse auf dieser
Fahrt; die Umwandlung der Kapitänskajüte in ein Treibhaus für
Brotfruchtpflänzchen und die Verbannung des Kapitäns in eine fensterlose Koje
ein weiterer. Im entscheidenden Moment fehlte dem Kapitän das, was Joseph Banks
im überreichen Maße besaß – seine Autorität. Dazu kam, dass das Schiff ohne
bewaffnete Marineinfanteristen unterwegs war, die am 28. April 1798 die Ruhe
auf dem Schiff hätten gewährleisten können, als das Unglück seinen Lauf nahm. Viele werden es ahnen: Der Kapitän war William Bligh, der
Anführer der Meuterer Christian Fletcher und das Schiff war die Bounty.
Im September 1787 war sie in See gestochen. Die Reise stand
von Anfang an unter einem schlechten Stern. Bligh scheiterte mehrmals mit dem
Versuch, Cap Horn zu umschiffen. Er änderte daraufhin seine Route, segelte
nach Osten über den Atlantik und um das Cap der Guten Hoffnung. Er näherte sich
Tahiti von Westen – dadurch verlängerte sich die Route um 10.000 Seemeilen.
Letztlich erreichte er die Insel, 1500 Stecklinge des Brotfruchtbaum wurden
geladen; die Bounty segelte Richtung Jamaica. Nie sollte sie dort ankommen; sie hatte sich in den Weiten des Pazifiks verloren.
Fletcher Christian setzt Bligh und seine Getreuen auf dem Pazifik aus
|
Anfang 1790 erhielt Joseph Banks einen Brief von Kapitän Bligh
– aus Batavia, dem heutigen Indonesien. Geschwächt von der Malaria, schrieb Bligh von seinen und seines Schiffes Fährnissen: Drei Wochen nach der Abfahrt
von Tahiti hatte ein Teil der Mannschaft eine Meuterei angezettelt, unter der
Leitung des 2. Offiziers Fletcher Christian. Bligh, dessen Autorität völlig
dahin war, war von den Meuterern zusammen mit 16 Getreuen, darunter Nelson, dem Gärtner, auf einer 7 m langen Schaluppe auf dem Ozean ausgesetzt worden. Nach
48 Tagen und fast 4000 Seemeilen strandeten sie in Timor. Dort starb Nelson am
Fieber. Bligh und die seinen gelangten schließlich nach Batavia und von dort
zurück nach England.
Joseph
Banks war kein Mann, der aufgab. Nach zwei Jahren stach Bligh erneut in See;
diesmal gelangten 600 Brotfruchtbäumchen von Tahiti in die Karibik, nach Saint
Vincent und Jamaica. Bald wurden überall in den Zuckerrohrplantagen Brotfrüchte
angebaut, obwohl die Sklaven sie nicht recht mochten. Literarisch aufgearbeitet und oft verfilmt, wurde die Meuterei auf der Bounty zur Legende. Dass eine Pflanze wie die Brotfrucht und die Obsession eines Mannes die letzte Ursache waren, ist heute kaum bekannt.
*The Brother Gardeners: A Generation of Gentlemen Naturalists and the Birth of an Obsession Paperback – March 9, 2010 by Andrea Wulf
Fotos: Wikimedia Commons (2), Breadfruit Institute (1)