Dienstag, 19. Februar 2019

Palmfarn

 
 
Es dauert nur noch wenige Wochen, bis die ersten Knospen aus ihrer winterlichen Erstarrung erwachen werden. Ein Besuch in den Gewächshäusern des Botanischen Gartens hilft über die blüten- und farbenlose Zeit des Winters hinweg.

Dort sah ich mir in einem der großen Glashäuser, dem Cycadeenhaus, die Palmfarne einmal näher an. Palmfarne haben ihren Namen von den meterlangen fiedrig geteilten Blattwedeln, die entfernt an Palm- oder Farnwedel erinnern. Doch sind Palmfarne weder Palmen noch Farne; sie sind eng verwandt mit den Nadelbäumen. Wie diese liegen ihre Samen direkt unter den Schuppen der Zapfen auf – solche Pflanzen nennt man Nacktsamer. Der größte Unterschied zu den Nadelbäumen sind die großen Blattwedel der Palmfarne. Sie wachsen aus einem –manchmal unterirdischen – Stamm, um den herum die Basis der abgefallenen Blätter eine Art Panzerung bilden.
Weder Palme noch Farn, trotz der Blattwedel
 
Palmfarne sind uralt. 230 Millionen alte Gesteine enthalten Fossilien von Palmfarnen. Ihre große Zeit hatten sie vor 65 Millionen Jahren, in der Kreidezeit. Dinosaurier bewegten sich zwischen Palmfarnen fort, trampelten auf ihnen herum und fraßen die Blätter und Früchte. Mit ihrem Kot ließen sie unverdaute Samen fallen, verbreiteten sie. Nach dem Ende der Kreidezeit, nach dem Einschlag des Asteroiden, der das Ende der Dinosaurier besiegelte und den Aufstieg der Säugetiere – und der Laubbäume – einleitete, ging auch die Vorherrschaft der Palmfarne zu Ende. Heute haben wir noch 100 Arten in 10 Gattungen dieser urtümlichen Großpflanzen. Nachdem Dinosaurier als Samenverbreiter nicht mehr da sind, verschleppen heutzutage nur noch Opossums die Samen; Nashörnern und Elefanten scheinen kein Interesse an dieser Speise zu haben.
 
Verwandt mit Nadelbäumen: männliche Blüten"zapfen"
 
Leckerbissen für Saurier:
weiblicher Zapfen mit Samen von E.ferox
 
In der Kreidezeit erlebte die Erde eine feucht-heiße Klimaperiode; tropische Wälder reichten bis an die Pole. Dem entsprechend finden wir die heutigen Palmfarne in warmen Gegenden, in den Subtropen Südafrikas und Südamerikas. Auf Afrikaans heißen Palmfarne Broodboom , denn die Einheimischen im südlichen Afrika gewannen Stärke aus ihrem Stamm und den Blättern. Vor wenigen Jahren noch nutzten Menschen in Mozambique die Stärke in den Blättern der Sagopalme - auch sie keine Palme, sondern ein Palmfarn.

Wir sprechen von Nackt-"samern“ – und wo Pflanzen Samen tragen, müssen sie Blüten haben. Tatsächlich sind Palmfarne die erdgeschichtlich ältesten Blütenpflanzen. Männliche und weibliche Blüten sitzen auf unterschiedlichen Individuen – man spricht von Zweihäusigkeit (Diözie). Bei den männlichen Blüten sitzen Pollensäckchen unter Schuppen, die an jene der Zapfen der Nadelbäume erinnern. Auch die weiblichen Blüten ähneln Zapfen – unter den Schuppen dieser „Zapfen“ bilden sie die Samen aus. Bei der Fortpflanzung holen sie sich Hilfe von anderen:

„Käfer, schreite zur Befruchtung“ – so oder ähnlich würden Palmfarne wohl zu den Vehikeln sprechen, die den Pollen von den männlichen zu den weiblichen Blüten transportieren. Ja, es sind Käfer, die bei den Palmfarnen diese edle Aufgabe übernehmen, und nicht die Bienen, die jetzt alle retten wollen. Es waren auch diese Käfer, die die Bestäubung von Pflanzen durch Insekten überhaupt „erfunden“ hatten, möglicherweise schon vor 175 Millionen Jahren. Zu jener Zeit hingen die Kontinente noch im Urkontinent Gondwana aneinander. Jede Art von Cycadeen hat ihre eigene Käferart zur Bestäubung. In Gewächshäusern sind es die Gärtner, die die Bestäubung per Hand vornehmen müssen, da die entsprechenden Käfer nicht vorhanden sind.

In der Kreidezeit könnte es so ausgesehen haben: Käfer auf Palmfarn
Im Cycadeenhaus des Botanischen Gartens in München fallen jetzt im Winter besonders die leuchtendroten Früchte von Encephalartos ferox auf, die an der Basis der dunkelgrünen meterlangen Blätterwedel stehen. An ihnen erkennt man die Verwandtschaft der Palmfarne mit den Nadelbäumen: Zapfen, die ihre Schuppen abwerfen und so die darunter liegenden rot-gelben Samen entlassen.  Ein Verbreitungsschwerpunkt von E. ferox ist KwaZulu Natal an der Ostküste Südafrikas vor. Auch aus ihrem Stamm extrahierte die südostafrikanische Bevölkerung in Notzeiten Stärke.


Heiß begehrt von Sammlern: E.ferox mit dornigen Blattfiedern


Carlo Fornasini (1805-1965), ein italienischer Botaniker; bereiste ab 1839 Mozambique und das südliche Afrika. Seine große Pflanzenkollektion sandte er nach Bologna zu seinem Kollegen Giuseppe Bertoloni (1804-1878), der unsere Pflanze erstmals beschrieb und ihr den wissenschaftlichen Namen verlieh. Der Artname ferox für wild, ungezähmt, stammt von den dornigen Blattfiedern, die sich an der Blattspindel gegenüberstehen.

E. ferox wächst in Küstennähe, auf Sand oder in den Dünen. Auf den trocken-sandigen Böden kann sie nur gedeihen, wenn es genug regnet. Sie braucht die Feuchtigkeit, die der Indische Ozean an die Küsten Südost-Afrikas bringt. Ihr spektakuläres Aussehen - vor allem der Zapfen - macht sie zu einer ikonischen Garten- und Parkpflanze. Kälte allerdings verträgt sie nicht, sodass sie kalte mitteleuropäische Winter nur im Glashaus übersteht.
Mag sandige Böden, liebt feuchten Wind vom Indischen Ozean
Cycadeen sind bei Sammlern sehr begehrt. In Südafrika hat die Entnahme aus der Wildnis einige Arten an den Rand des Aussterbens gebracht. Sie überleben, weil Pflanzgärten sie weiterzüchten. Doch gibt es Bestrebungen, Cycadeen in freier Wildbahn zu erhalten: Seit 2007 gilt in Südafrika ein Moratorium für die Entnahme wilder Cycadeen.
 
Fotos:
Angelika Schneider 2
Michael Wolf 1
NIGPAS 1
Salvatore Ingrassia 1
Dr AndreJCilliers 1