Gegen den Mittwinter-Blues hilft manchmal ein Besuch in den
Gewächshäusern des Botanischen Gartens. Doch das feuchtheiße Tropenklima im
Geweihfarnpavillon des Tropenhauses war letzthin dazu angetan, die Sehnsucht
nach den Tropen, nach bizarren Pflanzengestalten, eher anzustacheln, als sie zu stillen, vor allem durch den Anblick
der Geweihfarne, Pflanzenkugeln mit heraushängenden gelappten Wedeln (Platycerium sp.). Denen möchte man in ihrer Heimat doch zu gerne mal nachspüren!
Große Pflanzenkugeln mit gelappten Wedeln |
Diese Farne bestehen aus großen, übereinanderliegenden Blättern. Immer neue Blätter, die sich außen anlegen, lassen die Farnkugeln bis zu einem Meter groß werden. Diese Blätter sind steril, sie bilden den Körper der Geweihfarne. Die „Geweih“-Wedel sind fertil, fruchtbar, auf ihrer Unterseite liegen Sporen in samtigen kleinen Teppichen. Die Kugeln entspringen aus einem Rhizom – einem verdickten Teil des Stängels, voll mit Nährstoffen. Bekannte Rhizome sind z.B. Ingwerknollen.
Zum Kugeln: Immer neue Blätter und Wedel |
Der rote aride Kontinent, der durstige Outback, der
feuchtheiße Regenwald – halt, Regenwald in Australien? Im Osten, in Queensland
und New South Wales und weiter entfernt in Neuguinea, dampfen tatsächlich
tropische Regenwälder vor sich hin – heiß, feucht und dunkel. Dunkelheit nun
ist für grüne Pflanzen problematisch – sie brauchen Licht für die Photosynthese,
mit der sie ihre Nahrung – Traubenzucker, Stärke – selbst herstellen. Licht
gibt es in den Kronen der Tropenbäume, deshalb wachsen manche Pflanzen dort
oben. „Aufsitzerpflanzen“ sind das – sie wachsen in Astgabeln oder klammern
sich an Rinde und Borke. Sie zapfen ihre Wirtsbäume nicht an, sind keine
Schmarotzer. Die Luft in ihrem Lebensraum ist mit Wasserdampf gesättigt,
Wurzeln ziehen Wasser aus der Luft. Die Luftwurzeln der bekanntesten
Aufsitzerpflanzen, der Orchideen, schlängeln sich aus vielen Blumentöpfen
heraus in den Luftraum unserer Wohnzimmer. Bromelien und Geweihfarne, gehören
zu den anderen großen Gruppen der Aufsitzerpflanzen.
Durch Aufsitzen zum Licht |
Geweihfarne sind auf allen Kontinenten beliebt, als Garten- und Zimmerpflanzen. In feuchtheißen Klimazonen übertreiben sie es aber mit dem Wuchern: In Florida sind Geweihfarne verwildert, in Hawaii sogar als invasive Art klassifiziert.
Farne sind erdgeschichtliche Oldtimer; mit ihnen wurde es
auf der Erde erst richtig grün. Als erste Pflanzengruppe bildeten sie
Leitungsbahnen aus, für den Transport von Wasser und Nährstoffen. Damals, vor
über 400 Millionen Jahren, begann auch ihre unfassbar lange Herrschaft über das
Pflanzenreich. Es sollte Hunderte von Millionen Jahre dauern. Ihre größte Zeit war
vor 350 Millionen Jahren, im Karbon. In seinem feuchtwarmen Klima waren Farne
(und Schachtelhalme) so groß wie Bäume. Nach ihrem Absterben sanken sie in
flache Gewässer und Sümpfe. Sie zersetzten sich nicht, gerieten immer tiefer in
die Erde. Unter hohen Temperaturen und Drücken bildete sich Kohle aus. Es ist
die Bergwerks -Kohle , die vor 200 Jahren die Industrielle Revolution
einleitete. Heute tritt Kohle als Energieträger wegen ihrer schlechten Kohlendioxid-Bilanz
in den Hintergrund.
Riesenfarne und andere Seltsamkeiten in Wäldern des Karbon |
Vor 120 Millionen Jahr dann, in der Kreidezeit, entwickelten sich die Samenpflanzen mit ihrem komplizierten Fortpflanzungsappart, der Blüte. Sie brachten die Farne in die Defensive, breiteten sich schnell aus. Heute stehen 300.000 Blütenpflanzen nur noch 11.000 Farnarten gegenüber. Die meisten von ihnen kommen auch heute noch in feuchtwarmem Klima vor.
Geweihfarne sind prüde: Sie vermehren sich am liebsten
ungeschlechtlich. Aus Bruchteilen von Rhizomen entstehen neue Pflanzen. Die
Farne bilden weder Blüten noch Samen aus, entlassen aber Milliarden
mikroskopisch kleiner Sporen aus den Sori, Sporenkapseln, von der Unterseite
der Geweihwedel. Die Sporen sind mit der Mutterpflanze genetisch identisch; auf
feuchtem Untergrund wachsen sie zu neuen Pflanzen heran. Neben dem Wuchs aus dem Rhizom ist das eine zweite Form der ungeschlechtlichen Fortpflanzung. Doch Geweihfarne
haben, wie alle Farne (s. Artikel über den Adlerfarn), auch Sex, diskret, im
Verborgenen: Sporen keimen aus, auf feuchtem Untergrund. Sie bilden Eizellen
und Spermazellen aus. Die Befruchtung findet im Wasser statt. Die befruchtete
Eizelle wächst dann zu einem seltsam-schleimigen Gebilde heran, dem
Prothallium. Aus ihm bildet sich über Monate ein neuer Farn. Die
ungeschlechtliche Vermehrung durch Sporen ist viel häufiger, schneller und
einfacher als die geschlechtliche – doch nur mit letzterer vermischt sich das
Erbgut zu neuen genetischen Kombinationen und ist so den Kräften der Selektion
ausgeliefert.
Lebe lieber ungeschlechtlich: Sporenteppiche auf der Blattunterseite |
Angelika Schneider 3
Bernard Dupont
Meyers Konverationslexikon