Weihrauch
Boswellia sacra
Die Teilnehmer an der Führung durch die Wartburg hielten
größtmöglichen Abstand zu ihm. Luther in seiner Studierstube dort hätte ihn für
den Leibhaftigen gehalten und das berühmte Tintenfass nach ihm geworfen, denn
dieser Mensch strömte einen geradezu luziferischen Körpergeruch aus. Auch ein
neues Rosenwunder samt Rosenduft der mittelalterlichen Hausherrin der Wartburg,
der Hl. Elisabeth von Thüringen, hätte hier nicht mehr geholfen. Hier hätte es
etwas Stärkeres gebraucht – das Jahrtausende alte Antidot gegen Miasmen
jeglicher Art, gegen alle Geruchsnuancen der nach oben offenen Stänkerskala,
das Harz unserer Pflanze des Monats, den Weihrauch.
Von ihr kommt der Weihrauch: Blätter, Blüte, Früchte der Weihrauchpflanze |
Heute waschen sich die meisten Leute doch hin und wieder und olfaktorische Herausforderungen wie die oben beschriebene sind zum Glück selten. In vorhygienischen Zeiten war das noch anders; Nasen waren zwar abgehärtet, doch wenn Menschen dichtgedrängt zusammenstanden, war Cloaca-maxima-Alarm. Also verglühte man Weihrauch in den Straßen Roms und, vor allem, in den mittelalterlichen Kathedralen. Doch nicht nur Gestank sollte er vertreiben, sondern auch das Böse – der wîhrou(c)h (ahd.), das Heilige Räucherwerk, war Teil von Kult und Gottesdienst. In Santiago de Compostela schwingt der gewaltige botafumeiro, das 1,6 m hohe Weihrauchfass, hoch über den Köpfen der Pilger durch das ganze Querschiff der Kathedrale, über eine Strecke von 66 Metern, an einem Seil, das von acht Männern in Schwingung versetzt wird**.
Treibt teuflische Gerüche aus: der Botafumeiro |
Schon die alten Ägypter gebrauchten Weihrauch im Kult,
Plinius gar empfahl ihn als Mittel der Wahl bei Vergiftung durch den Wasserschierling.
Dann, im Mittelalter, sah Avicenna eine ganze Reihe von Krankheiten durch
Weihrauch geheilt. Die moderne Wissenschaft machte, wie so oft, den
Spielverderber: Sie fand keine belastbaren Beweise für den Weihrauch als
Medizin – mit Ausnahme der unten beschriebenen Hemmung von Entzündungen. Krebs
besiegen, wie manche kolportieren, kann er auch nicht.
Weihrauchharz, auch Olibanum genannt, wird von mehreren
Boswellia-Arten geerntet, die auf
verschiedenen Kontinenten wachsen. Der indische Weihrauch wird schon lange in
der Ayurveda-Therapie angewandt. Klinische Studien deuten darauf hin, dass
Säuren im Weihrauch gegen Magengeschwüre und Gelenksentzündungen wirken können.
Der indische Weihrauch-Baum (Salaibaum, Boswellia
serrata) ist auf dem Subkontinent vor allem als Alleebaum beliebt.
Weihrauch, wie das Abendland ihn kannte, stammt vom
Äthiopischen oder Somalischen Weihrauch, Boswellia
sacra. Das ist ein sehr zähes Gewächs, das in Steppen und
Halbwüsten gedeiht, die aber eine gewisse Luftfeuchtigkeit aufweisen müssen.
Nächtliche Nebel behagen ihm besonders. Die Weihrauchbäume wachsen in großen
Abständen zueinander, bilden Savannen. Sie sind kleine, stark verzweigte Bäume
oder Sträucher von gedrungener Gestalt. Die wichtigsten Wuchsgebiete liegen in
Arabien und am Horn von Afrika, in der Hadramut-Region in Somalia, in der
Dhofar-Region im Oman und im Jemen. Die Weihrauch-Pflanze hat kleine zarte
hellgrüne bis rosarote Blütentrauben und gefiederte Blätter, die in der
Trockenzeit abfallen.
Der „Weihrauch“ ist das Harz des Baumes. Um ihn zu ernten, schälen
die arabischen Bauern die papierdünne grünliche Rinde flach von Stamm und Ästen
und schneiden durch bis ins Lebende, in das sogenannte Kambium. Ein Milchsaft
tritt nun über dieser Verwundung aus; bei Luftkontakt härtet er aus – das ist Weihrauch.
Aus einem solchen Schnitt wird nun über Monate immer wieder das Harz geerntet.
Dann darf die Wunde heilen, im Jahr darauf schälen die Bauern an anderer
Stelle. Je öfter eine Stelle abgeschabt wird, desto besser wird die Qualität
des Harzes. Im Laufe der Saison wird es immer heller und die Brocken, die
auskristallisieren, werden größer. Die Ernte beginnt im April, zu Beginn der
Trockenzeit.
Zähes Gewächs: Weihrauchpflanze |
Heraus quillt die Kostbarkeit |
Das ganze Mittelalter hindurch kannte niemand in Europa das Ursprungsgebiet
des Weihrauchs. Über Jahrtausende gelangten aus der Tiefe Arabiens Dromedarkarawanen
auf der Weihrauchstraße über die Arabische Halbinsel zum Mittelmeer. In 100
Tagesmärschen legten sie die 3400 km lange Strecke zurück, vorbei an Städten,
deren Namen heute noch einen mythischen Klang haben: Sanaa, Saba, Petra,
Damaskus. Sie wurden reich durch Handel, Zölle, Schmiergelder. Ab dem 2.
Jahrtausend vor Christus begann der Handel mit Weihrauch und anderen arabischen
Gewürzen (Sandelholz, Myrrhe, Moschus) und Spezereien. Möglich wurde dies durch
die Domestikation des Dromedars* zu jener Zeit. In der Antike gelangten im Durchschnitt
jährlich 3000 Tonnen Weihrauch auf 7.000 bis 10.000 Dromedarrücken ans
Mittelmeer; die Hälfte davon landete im Römischen Reich. Gewürze, Seide, Damast
und indische Edelsteine, die auf der Weihrauchstraße eingetauscht wurden und nach
Europa gelangten, ließen den Mythos der Arabia
Felix entstehen, die Sehnsucht der Europäer nach den Reichtümern des
Morgenlandes erwachen.
Die Heiligen Drei Könige kamen von dort, aus dem Osten nach Bethlehem gezogen und brachten die Schätze des Orients mit – Gold, Weihrauch und Myrrhe. Im Neuen Testament ist von Königen nicht die Rede und auch nicht von der Zahl drei. Die Legendenbildung erst brachte die vielen magischen und symbolischen Elemente hervor. So war Gold Symbol der Macht, Weihrauch der Anbetung, Myrrhe der Reinheit. Erst im Mittelalter wurden die Heiligen Drei Könige Symbol für die Lebensalter und die Erdteile: Balthasar der Alte kam aus Europa, Melchior der erwachsene Mann aus Asien, Caspar der Jüngling aus Afrika. Melchior war auch jener, der den Weihrauch brachte.
Die Magier-Könige wurden sehr bald zu bedeutenden Gestalten der Weihnachtserzählungen der katholischen, evangelischen und orthodoxen Kirche. Um 300 n.Chr. soll Kaiserin Helena ihre Gebeine nach Konstantinopel überführt haben. Wenige Jahre später befanden sich die Reliquien dann im Dom von Mailand. 1158 eroberte Friedrich I Barbarossa Mailand; sein Kanzler Rainald von Dassel brachte die Gebeine der Re Magi, der Magierkönige, nach Köln, wo sie seitdem im goldenen Dreikönigschrein ruhen und die Stadt als Patrone beschützen.
Mystischer Duft der Arabia Felix |
Die Heiligen Drei Könige kamen von dort, aus dem Osten nach Bethlehem gezogen und brachten die Schätze des Orients mit – Gold, Weihrauch und Myrrhe. Im Neuen Testament ist von Königen nicht die Rede und auch nicht von der Zahl drei. Die Legendenbildung erst brachte die vielen magischen und symbolischen Elemente hervor. So war Gold Symbol der Macht, Weihrauch der Anbetung, Myrrhe der Reinheit. Erst im Mittelalter wurden die Heiligen Drei Könige Symbol für die Lebensalter und die Erdteile: Balthasar der Alte kam aus Europa, Melchior der erwachsene Mann aus Asien, Caspar der Jüngling aus Afrika. Melchior war auch jener, der den Weihrauch brachte.
Ursprünglich waren die Heiligen Drei Könige, die „Weisen aus
dem Morgenland“, persisch-babylonische Priestergelehrte, aus der angesehenen
Kaste der Magier. Sie waren Sterndeuter, also Astronomen, die den Lauf der
Gestirne studierten. Der „Stern“, dem sie folgten, war wahrscheinlich der
Planet Jupiter, der am 5. Dezember im Jahr 7 v. Christus (dem eigentlichen
Geburtsjahr Jesu) in Konjunktion (also sich scheinbar berührend) mit dem Saturn
stand – zum dritten Mal in jenem Jahr. Eine solche dreifache Konjunktion kommt
sehr selten vor – die darauffolgende trat erst 1603/4 wieder ein. Die gewieften babylonischen Sterndeuter wussten von der Seltenheit dieser Konstellation, ebenso wie sie schon den Saroszyklus kannten, die Wiederkehr gleich verlaufender Mondfinsternisse im Abstand von 18,3 Jahren. Von Babylon
aus standen die beiden Planeten im Westen, und dorthin, nach Palästina, zogen
die Magier, wo sie in Bethlehem das Jesuskind fanden. Jüdische Rabbiner in
Babylon glaubten, dass die beiden Planeten die Geburt des Königs, des Messias
ankündigten.
Gentile da Fabriano: Adorazione dei Magi (Ausschnitt) Florenz, Uffizien; 1423 |
Die Magier-Könige wurden sehr bald zu bedeutenden Gestalten der Weihnachtserzählungen der katholischen, evangelischen und orthodoxen Kirche. Um 300 n.Chr. soll Kaiserin Helena ihre Gebeine nach Konstantinopel überführt haben. Wenige Jahre später befanden sich die Reliquien dann im Dom von Mailand. 1158 eroberte Friedrich I Barbarossa Mailand; sein Kanzler Rainald von Dassel brachte die Gebeine der Re Magi, der Magierkönige, nach Köln, wo sie seitdem im goldenen Dreikönigschrein ruhen und die Stadt als Patrone beschützen.
Auch Volksbräuche gibt es um die Heiligen Drei Könige – das Sternsingen
rund um den 6. Januar, die Zeichen an den Türstöcken, CMB – eigentlich Christus mansionem benedicat – aber eben
auch in der Bedeutung von Caspar, Melchior, Balthasar oder, für uns Kinder
damals, C(K)as, Milch, Butter.
*eine kleine Eselsbrücke zur Unterscheidung von Kamel und Dromedar, aus der Volksschule, von der Italienischlehrerin:
cammello - zwei m - zwei Höcker
dromedario - ein m - ein Höcker
Kamele sind Tiere der asiatischen Kältessteppen, in der Sahara und Arabien verkehren Dromedare. Die Tiere sind nahe Verwandte.
**Hier saust der Botafumeiro in Santiago de Compostela: https://www.youtube.com/watch?v=2QFd_55El1I
Bilder:
A.Schneider 2
onseeds.com 1
julio.figueroa.wix.com 1
wikimedia commons: Polo Museale Fiorentino 1
Snotch 1
Basilio 1
Creative commons: Mauro Raffaelli 1
*eine kleine Eselsbrücke zur Unterscheidung von Kamel und Dromedar, aus der Volksschule, von der Italienischlehrerin:
cammello - zwei m - zwei Höcker
dromedario - ein m - ein Höcker
Kamele sind Tiere der asiatischen Kältessteppen, in der Sahara und Arabien verkehren Dromedare. Die Tiere sind nahe Verwandte.
**Hier saust der Botafumeiro in Santiago de Compostela: https://www.youtube.com/watch?v=2QFd_55El1I
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