Thuja
Thuja plicata
Die Thuja wird – wenn sie darf – ein großer Baum; bis über 40 m hoch, schlank
und spitz, majestätisch. Sie ist ein Nadelbaum, die „Nadeln“ sind zu kleinen
Schuppen geschrumpft, die, in vier Reihen versetzt, an dünnen Zweigen haften.
Die Zweige sind so angeordnet, dass sie in ihrer Form an Farnblätter erinnern.
Die Borke der jungen Stämme ist rot, die alten Stämme werden grau. Grauwerden,
das kennen wir ja von uns auch. Macht sie irgendwie schon mal sympathisch, die
Thuja.
Majestät am Pazifik: die Thuja |
Schuppenförmige Nadeln an Zweigen, die wie Farne aussehen |
Die Borke ist außerdem dick,
weich und faserig. Dies und das weiche, aber sehr dauerhafte Holz machte die
Thuja für die Menschen so wichtig. Die Zweige duften aromatisch, wenn man an
den Knospen reibt; sie enthalten das Gift Thujon, das in hoher Dosis tödlich
sein kann. Auch das Holz und die Zapfen enthalten das Gift. An den kleinen
Zapfen mit wenigen Schuppen kann man die Thuja von ihren Verwandten
unterscheiden – Zypresse, Scheinzypresse, Küsten-Mammutbaum, die auch
schuppenförmige Nadeln aufweisen.
An ihren Zapfen sollt ihr sie erkennen |
Die Thuja, auch Lebensbaum genannt, ist ein Baum des
borealen Regenwaldes an der Pazifikküste Nordamerikas, der sich von Kalifornien
über Oregon nach Britisch-Kolumbien in Kanada erstreckt. Warme Meeresströmungen
lassen feuchtwarme Winde aufsteigen, sie steigen am Küstengebirge empor, regnen
sich ab. Deshalb regnet, regnet und regnet es, es hört gar nicht mehr auf zu
regnen – der mittlere Jahresniederschlag beträgt 3000 mm (Jahresniederschlag
Bayern 933 mm). Das Küstengebirge hält auch kalte Winde aus dem Nordosten, aus
der Arktis kommend, ab.
Die meisten denken beim Thema „Regenwald“ an den Kongo oder
Amazonas. Doch der unablässige Regen am Pazifik ließ auch dort immergrüne Regenwälder
entstehen, mit Bäumen, die unter der milden Dusche mit dem Wachsen gar nicht
mehr aufhören wollen. So stehen dort die größten Bäume der Welt, die zwei Arten
von Mammutbäumen (Riesen-Mammutbaum – Sequoiadendron giganteum;
Küstenmammutbaum – Sequoia sempervirens), 3000 Jahre alt und über 100 Meter
hoch. Zu ihnen gesellen sich weitere mächtige Arten wie der Hemlock-Baum und
die Sitka-Fichte. Dazwischen wächst als Einzelbaum oder in kleinen Gruppen die
Thuja, die red cedar, wie sie von den
amerikanischen Ureinwohnern genannt wird.
Keine andere Pflanze, kein Tier spielte im Leben der
Ureinwohner des pazifischen Nordostens eine solche Rolle wie ihre Red cedar. Man nannte die Thuja auch den
Grundpfeiler der Indianerkulturen dort.
So wurden Holz und Bast der Rinde gebraucht für die
Herstellung von Körben, Schachteln, Kisten und Haken für den Heringsfang - und für die prächtigen Kanus und Paddel.
Alles aus red cedar: Kanu, Paddel, Regenhüte |
Die Thuja war auch der einzige Baum, der als Bauholz
geeignet war; Häuser und Hütten waren ausschließlich aus Brettern und Pfosten
der Red cedar erbaut. Schindeln aus ihrem Holz sind eine historische und
moderne Art, Dächer zu decken. Thuja-Schindeln gelten wegen der vielen
ätherischen Öle und des Harzes in ihrem Inneren als unverwüstlich. Auch die
Kanus der Leute waren ausschließlich aus dem Holz der Red cedar.
Pfosten für Häuser der Haida an der Westküste Kanadas |
Die vielseitigste Verwendung fand die Rinde - kein anderes
Material stand bei den Küstenindianern in so ubiquitärem Einsatz. Chehalis-Frauen
waren ständig mit dem Zerreiben und Zerstoßen von Rinde zugange. Aus den
weichen Fasern, die sie daraus gewannen, stellten sie Verbände, Windeln, weiche
Polster für die Wiege her. Die Makah schnitten faserige Rinde in Streifen, verflochten
sie zu Matten, aber auch zu wasserdichten Teller und Schüsseln. Große
Borkenstücke dienten als Capes oder Kleider. Auch die charakteristischen
Regenhüte der Quinault, Quileutl und Makah waren aus Rindenstreifen gewoben.
Seile, aus dem versponnenen Bast der Thuja gewonnen, waren
so stark, dass die Walfänger, zum Beispiel der Makah, die toten Wale damit auf
den Strand zogen. Die Wurzeln wurden in feine Fäden getrennt und verwoben. Die ätherischen
Öle in den Knospen nahm man gegen Erkältungen und Zahnschmerzen. Doch musste
man mit dem Gift aufpassen!
Vor der Ankunft der Weißen wurden kaum Bäume gefällt. Stattdessen
schälten die Menschen Bretter von unten nach oben von den Bäumen; als Werkzeuge
verwandten sie Geweihe.
In den Regenwäldern finden sich viele solcher culturally modified trees. Das sind
Bäume verschiedener Arten, die Spuren menschlicher Bearbeitung aufzeigen –
eingeritzte Zeichen, Schnitzereien, Bemalungen und die Spuren der abgelösten
Bretter auf den Red cedars. Seit einigen Jahrzehnten drängen die indigenen
Völker Kanadas und der USA auf die Erfassung und den Schutz solcher Bäume, die
sie als wichtig für ihre Historie und Identität ansehen. Mittlerweile stehen zum
Beispiel auf der kleinen Flores-Insel im Westen von Vancouver Island 71 solcher
CMT unter Schutz.
Da fehlt ein Brett: culturally modified tree |
Kulturkampf am Gartenzaun
Bei uns in Europa tritt die mäjestätische Red Cedar meist als
undurchdringliche? – hässliche? – nützliche? Thujenhecke auf. Der Baum ist für
viele die ideale Hecke – immergrün, blickdicht und vollkommen unempfindlich
gegen häufigen oder kräftigen Schnitt.
Medienbeiträge über Thujenhecken lassen die Volksseele verlässlich
schäumen; im Internet werden Kulturkämpfe
darum ausgetragen. Da finden aufgeklärte Urbane eine weitere ideale
Gelegenheit, ihrer Lieblingsbeschäftigung nachzugehen, dem verächtlichen
Herabschauen auf engstirnige Kleinbürger. Und die halten mit dem Posten von Hassmails heftig dagegen.
Hier eine kleine Auswahl (aus ca. 130 Beiträgen) aus einem
Forum des österreichischen Standard
(mit der Original-Rechtschreibung):
Thujen sind wie Bundesheer-Soldaten
sie stehen unmotiviert in einer Landschaft,
die ohne sie viel schöner wäre,
und können nix dafür,
und jede Diskussion mit denen,
die sie aufgestellt haben,
ist eine verlorene Liebesmüh'
der neben mir (nachbar ist der keiner) hat
so eine hecke, um die er sich - außer dass er unmengen wasser verschleudert - nicht
kümmert. den dreck - das ist schon eine ganze menge - und schatten habe ich.
thujen: nicht einmal unkraut.
Wer eine braucht um sich wohlzufühlen, soll
sie auch haben dürfen. Nicht jeder kann ein soziales Wesen sein.
Wenigstens der letzte Beitrag hat etwas Versöhnliches.
Und überhaupt: Vor ein paar Jahren auf einer herbstlichen
Exkursion, zur Beobachtung der Hirschbrunft. Th. führte uns. Eine Teilnehmerin
hatte den moralischen Zeigefinger sehr weit ausgestreckt und deutete damit (metaphorisch) auf
böse Touristen, Spaziergänger, Radfahrer, Politiker. Als dann im Spektiv ein
Jäger auftauchte, der weit draußen auf einen Hochsitz stieg, begann die
Empörungsmaschinerie in ihrem Inneren zu rattern wie ein mit frischen Batterien
ausgestatteter Trommelhase. Zuletzt schrie sie: „Man sollte ihn
herunterschießen.“ Th., trotz seiner Jugend in sich ruhend, sprach daraufhin
den unnachahmlich weisen Satz: „Vielleicht ist das ja ganz ein netter Mensch.“
Sollte man sich diesen Ausspruch nicht öfter mal zu Herzen
nehmen? Zum Beispiel, wenn es um die Menschen geht, die Thujen nicht ausstehen können? Oder um jene, die hinter Thujenhecken
leben? Vielleicht sind manche
von ihnen ja ganz nette Menschen?
Fotos:
Angelika Schneider 5
US Forest Service 1
JTmorgan1
Leoboudo1
Susan Clarke1
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Susan Clarke1