Hohler Lerchensporn
Corydalis cava
Heute widmen wir uns einer Pflanze, die nach der Zehe eines
Vogels benannt ist – schon schräg, oder? Viele Menschen kennen diesen Vogel
nicht mehr, und seine Zehen schon gar nicht. Dabei hatte die Lerche einen Stammplatz bei Dichtern und Musikern. "Es war die Nachtigall und nicht die Lerche": Aber dass ausgerechnet ein Engländer auf die Idee kommt, jemand könnte diese beiden Gesänge verwechseln! Franz Schubert und sein Textdichter Wilhelm Müller hörten genau hin: "Die Lerche wirbelt in der Luft..". Hier der Beweis:
Hohle Knolle, gespornte Blüte, viele kleine Samen |
In manchen Jahren, so wie heuer, ist vom Frühling nicht viel zu spüren. Doch Frühblüher müssen trotzdem raus, sie müssen geblüht haben und Samen gebildet, bevor Sträucher und Bäume Blätter bilden und den Boden beschatten. Veilchen, Buschwindröschen und Leberblümchen sind solche Frühblüher, genauso wie unsere Pflanze des Monats, der wenig bekannte Hohle Lerchensporn.
Frühblüher müssen früh raus: Weißer und lila Lerchensporn |
Der Lerchensporn ist die verlängerte hintere Zehe einer
Feldlerche. Wie aber kam dieser Körperteil eines Vogels so sehr ins Bewusstsein
der Menschen, dass er sogar als Namengeber für eine Frühlingspflanze diente,
die ihrerseits genau bekannt war?
Sorgenkind der Naturschützer mit Zehensporn |
Die Feldlerche kam in der alten traditionellen Feldflur in
Massen vor. Ältere Leute (also wir..) erinnern sich an die jubilierenden Rufe der
hoch in den Himmel steigenden Flugkünstlerin, mit denen sie näher kommende
Feinde, Füchse oder Marder, von ihrem Bodengelege ablenkt. Die Stimme der
Lerche ist die lauteste Vogelstimme in Europa. Die Lerche ist eigentlich ein
Steppenvogel, der in niedriger, schütterer Vegetation brütet. In der Feldflur
des Mittelalters und frühen Neuzeit, in aufgelockerten Kornfeldern,
nährstoffarmen Wiesen und Weiden fand sie (wie viele andere Bodenbrüter auch)
äußerst komfortable Sekundärlebensräume. Die heutige intensive Landwirtschaft, die Maisäcker und
Odelwiesen, lassen keinen Platz für die Nester der Feldlerche, die häufige Mahd
keine Zeit zum Brüten. Auch zum Fressen findet die Lerche nichts mehr; die vielen
Pestizide vernichten ihre Nahrung, die Insekten. Heute ist der einstige
Allerweltsvogel Feldlerche zum Sorgenkind der Naturschützer geworden.
Feldlerche im Speckmantel – einen solchen Leckerbissen ließen sich Menschen, die oft genug nichts zum Essen hatten, nicht entgehen (...und meist hatten sie keinen Speck zum Würzen). Zu Abermillionen wurden Lerchen (und andere Vögel) in Europa gefangen und gegessen – mit Netzen, Leimruten und auf „Vogelherden“ – Plätzen, auf denen man in Schlagfallen Vögel fing. Viele Menschen hielten also Feldlerchen in Händen, wussten was ein Lerchensporn war. In Südeuropa werden Feldlerchen heute noch gefangen, was zu erbitterten Kontroversen mit Vogelschützern führt.
Sicherung des Mittagessens am Vogelherd |
In den Kapseln liegen viele kleine Samen |
Die Blüten des Hohlen Lerchensporns sind weiß, lila oder
violett; sie verblühen nach wenigen Tagen, nachdem sie in kleinen Kapseln sehr
viele winzige Samen gebildet haben. Danach stirbt der gesamte oberirdische Teil
der Pflanze mit Blättern und Stängel ab. Wie bei den meisten Frühblühern wandern
Nährstoffe in unterirdische Speicherorgane – verdickte Spross- oder
Wurzelteile. Beim Lerchensporn ist es ein hohler, verdickter Spross, also ein
in den Untergrund gewanderter Teil des Stängels. Eine solche Pflanze ist ein
Geophyth. Die Knolle ist innen hohl, manchmal mit Tochterknollen
gefüllt. Der Artname „cava“, lat. „hohl“, stammt daher.
Das unterirdische Speicherorgan, die (hohle) Knolle |
Manchen Hummeln ist das zu mühsam – sie beißen den Sporn von
außen auf und schlecken den Nektar weg. Doch dadurch wird der Lerchensporn um
seine Bestäubung gebracht. Ist der Lerchensporn dabei, durch Nektarräuber in
eine evolutive Sackgasse zu geraten? Gemach! Die Blüten stehen dicht gedrängt
in einer Traube – das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die eine oder andere ungebissen
davonkommt. Die Traube hat auch Schaufunktion, mit der sie verschiedene
Bestäuber anlockt. Da sind dann hoffentlich nicht nur Diebe dabei!
Hier hat ein Nektarraub stattgefunden: Hummelbiss am Sporn der Blüte |
Bildnachweis (von oben nach unten):
Finavon
Walcoford
EnDumE
EnDumE
Tacuinum sanitatis Cod. Vind.
A.Schneider
Aelwyn
Fritz Geller-Grimm