Freitag, 28. August 2015

Blauer Eisenhut


August 2015

Blauer Eisenhut

Aconitum napellus

Sex and crime geht immer, heißt es, wenn man medial multitaskende Leser dazu bringen will, sich einem Text zu widmen.
Dieser Blog kann naturgemäß nur Blümchensex bieten, das ist aber auch nicht so der Brüller. Mit Mord und Totschlag allerdings kann das Reich der Botanik aufwarten, Giftmörder wissen das seit je. Deshalb hat es diesen Monat der Blaue Eisenhut in den Eulenblick geschafft.

Kinder und Finger weg!

Er hätte es wissen müssen, der Pharmaziestudent, damals auf der Alm im Trentino, als er in die Wurzelknolle des Blauen Eisenhuts biss, um sein Leben zu beenden. Er fand keinen schönen Tod, denn eine Vergiftung durch Aconitin, dem Gift dieser Pflanze, endet in Qualen, die bis zum Schluss durch keine Bewusstseinstrübung gemildert werden.

Der Blaue Eisenhut - mit seinen tiefblauen Blütentrauben eine wahre Schönheit - ist die giftigste Pflanze Europas. Drei Gramm aus seiner Wurzelknolle können einen Menschen töten, schon der bloße Hautkontakt mit irgendeinem Pflanzenteil ist giftig. Haut, die mit dem Eisenhut in Berührung kommt, wird taub, die Finger beginnen zu kribbeln.

Der Name der Pflanze kommt von der Form der Blüten. Von den fünf dunkelblauen Blütenblättern bildet das oberste einen Helm oder eine Kappe; manche der vielen Volksnamen deuten darauf hin: Blaukappenblume, Helmblom, Mönchskappe. Einige Lokalnamen zeugen freilich von der Giftwirkung: Ziegentod, Teufelswurz, Wolfsgift, Luppegift (Luppe kommt aus dem Mittelhochdeutschen und hat mit Zauberei, Vergiftung, zusammenziehendem Pflanzensaft zu tun).


Ober- und unterirdisch: überall Gift!

 
Aus der fleischigen Wurzelknolle wächst der Stängel bis 1,5 m in die Höhe, die obere Hälfte des Stängels trägt die vielen blauen Blüten. Der „Hut“ ist das vergrößerte fünfte Blütenblatt, das die anderen vier überragt. Eine solche Blüte nennt man zygomorph, was bedeutet, dass sie über nur eine spiegelsymmetrische Ebene verfügt. Die Blätter stehen im Wechsel dicht am Stängel, sie sind handförmig geteilt, in fünf bis sieben „Finger“, deren jeder wiederum mehrfach in sich gespalten ist.
 
Alle Teile der Pflanze sind giftig, besonders aber Wurzeln und Samen. Im Winter ist deren Giftigkeit am stärksten – Pflanzen pumpen oft Nährstoffe (und Gifte) in unterirdische überwinternde Knollen oder Wurzeln, bevor sie im Herbst oberirdisch absterben. Das Gift wirkt auf Muskulatur und Nerven; Aconitin kann aber auch über intakte Haut und Schleimhäute aufgenommen werden. Deshalb: Finger und Kinder weg von dieser Pflanze!
 
Eine Vergiftung durch Eisenhut bringt schreckliche Qualen mit sich: Krämpfe mit Erbrechen und Durchfall, das Gefühl, innerlich zu erfrieren, Lähmungen und Taubheitsgefühle in den Gliedmaßen. Bei stärksten Schmerzen und vollem Bewusstsein treiben die Vergifteten dem Tod entgegen.
 
Die Giftwirkung des Eisenhuts ist mindestens seit der Antike bekannt. Es ist natürlich nicht leicht, zu rekonstruieren, welches Gift bei historisch verbürgten Giftmorden zum Einsatz kam. Doch scheint Kaiser Claudius (regierte 41 -54 n. Chr.) von seiner Frau Agrippina mit Eisenhut ermordet worden zu sein.

Jemanden mit Eisenhut zu vergiften, bot verschiedene „Vorteile“: Der Gegner starb schnell (nach 30 bis 40 Minuten war bei ausreichender Dosierung alles vorbei), manchen, die einen Rivalen nur beseitigen wollten, genügte das. Doch die Schmerzen, die das Opfer litt, stillten auch Rachegelüste und Hassgefühle des Mörders. Eine besondere Genugtuung musste es für manche auch sein, dass dem Opfer – bei vollem Bewusstsein – kurz vor Schluss oftmals ein Licht aufging, wem es seine Pein verdankte.

Der Blaue Eisenhut ist in vielen Gebirgen Europas verbreitet. Er kommt dort auf den Almen oberhalb der Waldgrenze vor, aber auch in tieferen Lagen auf nährstoffreichen, feuchten Böden, zum Beispiel entlang von Bachläufen. Sein Hunger nach Nährstoffen macht ihn zum Mitglied der sogenannten Lägerflur auf den Almen. Das sind die Plätze vor Ställen oder in Pferchen, auf denen das Vieh lagert.  Der Kot der Tiere lässt dort sogenannte Stickstoffzeiger wachsen, Pflanzen mit meist großen Blättern, die mit der Überdüngung auf diesen Plätzen zurechtkommen. Außer dem Eisenhut gehören zur Lägerflur noch Alpenampfer (die – pardon – „Scheißblätschn“), Brennnessel und der Graue Alpendost.
 

Lagern in der Lägerflur mit Alpenampfer vulgo Scheißblätschn

Wegen seiner blauen Blüten ist der Eisenhut in vielen Gärten verbreitet. Es kommt öfter vor, dass Gärtnern, die nicht aufpassen, die Fingerglieder kribbeln und taub werden, weil sie die Pflanze anfassen.

Der Wolfseisenhut, ein naher Verwandter des Blauen Eisenhuts, hat gelbe Blüten. Auch er kommt auf Almen vor und ist ebenfalls sehr giftig.