Ruscus aculeatus
Jetzt, wo uns der Winter noch gefangen hält, wollen wir einen Ausflug an das Mittelmeer unternehmen, wo der Frühling schon Einzug gehalten hat.
Der Mäusedorn ist bei uns in den letzten Jahren vor allem als Weihnachtsschmuck bekannt geworden. Er ist eine Pflanze der Macchia mediterranea, der typischen Strauchformation des Mittelmeerraumes.
Sein italienischer Name lautet pungitopo, der Mäusestecher. Er ist ein niedriger Strauch, oft nur 20 cm, höchstens 1 m hoch. Er bedeckt den Boden der Wälder am Mittelmeer oft großflächig und sticht dabei wohl manches Mäuslein, das durchs Unterholz huscht, in die Schnauze.
Sticht Mäuslein: der Mäusedorn
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Stacheln, Dornen, Nesseln
An den Küsten des Mittelmeers und in den tiefen Lagen des Hinterlandes prägen die dunkelgrünen Buschwälder der Macchia die Landschaft. Für Botaniker ist sie eine der interessantesten Pflanzengesellschaften, artenreich und mit einer komplizierten Geschichte. Das immergrüne, wenige Meter hohe Gebüsch ist ein Sekundärwald, keineswegs wild und unberührt, trotz all der Lianen, Nesseln und Dornen. Wir finden hier unsere Küchenkräuter als ausladende Büsche wieder: Rosmarin und Salbei, Lorbeer und Lavendel, Thymian und Majoran. Dazu kommen Myrte (ja, die von Goethe!) und Wacholder, Pistazien, Ginster und Wermut. Die Sträucher sind immergrün, Stacheln und Dornen bieten Schutz vor dem Zahn der Weidetiere. Am wichtigsten ist es aber, nicht zu vertrocknen. Die Pflanzen der Macchia haben deshalb eine Vielzahl von Anpassungen hervorgebracht. So sind es nicht die Blüten, die hier duften, sondern die Blätter. In der sommerlichen Gluthitze sondern sie ätherische Öle ab; die Verdunstungskälte kühlt das Blatt, verhindert die Austrocknung. Einen weitern Schutz gegen die mediterrane Höllensonne bieten die reduzierten, ledrigen, mit einer Wachsschicht überzogenen Blätter. Sonnenröschen, Zistrosen, Wermut und Lavendel haben auch Blätter mit filzigen, weißen Überzügen. Die reflektieren die Sonnenstrahlen, schaffen eine windstille Schicht über dem Blatt, die die Verdunstung herabsetzt. Die ursprüngliche Pflanzengesellschaft der heutigen Macchie war der immergrüne Steineichenwald. Rodung, Brand und Ziegenweide brachten aber mehr oder weniger degradierte Formen hervor, die von der hohen über die niedere Macchie bis zur Garigue gehen, in der zwischen niedrigen Büschen der nackte Boden herausragt.
Hier ein paar Beispiele aus der Macchia; von oben nach unten Steineiche, Raue Stechwinde, Besenginster, Erdbeerbaum, Salbeiblättrige Zistrose.
Mittelmeer in München
Im Viktoriahaus innerhalb der Gewächshäuser des Botanischen Gartens München schwimmen im Sommer in einem flachen Wasserbecken die riesigen Blätter der Viktoriapflanzen. Im Winter ist das Becken trockengelegt und es überwintern hier in großen Kübeln und Behältern die mediterranen Pflanzen, bis sie im Frühjahr wieder ins Freiland kommen. Ein harzig-herbsüßer Duft erfüllt den Raum; viele Pflanzen blühen. Auch in ihren Heimatländern blühen diese Sträucher im Winter oder zeitig im Frühjahr, in der Zeit der Regefälle. Hier ein Link zu Bildern aus den Gewächshäusern: http://botmuc.org/v-2007/07-02-06-kalthaus.html.
Auch der Mäusedorn blüht von September bis Mai; Anfang Februar fotografierte ich seine winzigen Blüten, die - seltsam genug - mitten aus dem Blatt zu wachsen scheinen. Die Blätter sind in Wirklichkeit abgeflachte kleine Zweige, die Phyllokladien, mit einer Wachsschicht bedeckt und einer dornigen Spitze versehen (die das Mäuslein sticht...). Die eigentlichen Blätter sind zu winzigen Schuppen verkümmert. Das ist wieder eine Anpassung an die Gefahr der Austrocknung. Die Blüten entwicklen sich zu den bekannten roten Beeren.
Winzige Blüte in den Phyllokladien
Hier im Viktoriahaus findet man einen Busch, der dem Mäusedorn sehr ähnlich sieht: kleine spitze Blätter, immergrün, mit roten Beeren. Der Name der Pflanze:
Mäusedornblättrige Kettenfrucht
Alyxia ruscifolia
Englisch chain fruit oder prickly Alyxia. Sie kommt aus Australien und ist mit dem Mäusedorn nicht verwandt, hat sich aber in einem ganz ähnlichen Klima wie der Mäusedorn entwickelt.
Dem Mäusedorn sehr ähnlich: die Alyxia
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Mittelmeer weltweit
Auf dem Globus gibt es noch andere Gebiete mit einem "Mittelmeerklima". Sie befinden sich an der Westseite der Kontinente am vierzigsten nördlichen und südlichen Breitengrad, haben heiße, trockene Sommer und milde, regenreiche Winter. Keines der Gebiete hängt mit einem anderen zusammen. Die Ökosysteme, die sich hier entwickelten, sehen der Macchia sehr ähnlich, mit immergrünen, stacheligen, mehr oder weniger niedrigen, duftenden Büschen. Ähnliche ökologische Bedingungen brachten ähnliche Ökosysteme hervor. Die "Macchia" wird in Nordamerika Chaparral genannt, in Südamerika Matorral, in Südafrika Fynbos. Gebiete mit Mittelmeerklima gibt es auch in West- und Südaustralien. Die Sträucher in den verschiedenen Weltgegenden stammen aus ganz verschiedenen Stämmen und sind - mit Ausnahmen - nicht miteinander verwandt. So gehört der Mäusedorn zu den Liliengewächsen, die Alyxia zu den Hundgiftgewächsen. Sie sind sich ähnlich geworden, weil sie sich in Jahrmillionen an ein ähnliches Klima angepasst haben.
Ähnliche Strukturen, die nicht auf einen gemeinsamen Bauplan, eine gemeinsame Abstammung zurückgehen, werden in der Ökologie "analog" genannt. Die Phyllokladien des Mäusedorns sind den Blättern der Alyxia analog. Die analogen Strukturen haben die gleiche Funktion, aber einen verschiedenen Bauplan.
Umgekehrt werden Strukturen, die auf einen gemeinsamen Bauplan zurückgehen, aber verschiedene Funktionen haben, "homolog" genannt. Ein bekanntes Beispiel aus dem Tierreich sind die Flossen der Wale und die Arme der Affen. Wal- und Delphinflossen sind umgebaute "Arme" mit Oberarm, Speiche, Elle, Handknochen. Die homologen Strukturen haben den gleichen Bauplan, aber verschiedene Funktionen (schwimmen oder fliegen).
Wollte man dieses Konzept auf die mediterranen Ökosysteme der Erde übertragen, wären diese einander analog: ihre Struktur ist sich ähnlich, ihre Arten sind nicht verwandt.
An der Westseite der Kontinente: die Gegenden mit Mittelmeerklima
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