Tea Party
Montag, 13. September 2010
18:39
Sarah Palin ist die Ikone einer politischen Bewegung, die bei vielen eine Mischung aus Faszination und Grauen auslöst. Der Name der Bewegung ist von unübertroffener Prägnanz: Tea Party. Damit stellen sich die Anhänger in die Tradition der Boston Tea Party von 1773, die im Gründungsmythos Amerikas einen wichtigen Platz einnimmt. Die Verbitterung der Kolonien Neuenglands gegenüber dem Mutterland England hatte sich über Jahrzehnte aufgestaut, vor allem am Anspruch der Krone, in den Kolonien nach Belieben Steuern zu erheben*. Um ihren Anspruch zu untermauern, erhoben die Engländer zuletzt symbolische Bagatellsteuern auf Glas, Blei, Papier und Tee - auf letzteren 3 Pence pro Pfund. Die Eintreibung der Steuern kostete mehr als sie einbrachte; Tee war billig. So sollten die Kolonien dazu gebracht werden, England seinen Teeüberschuss abzunehmen. Außerdem war der Schmuggel unrentabel geworden. 1773 schließlich enterten als Mohawks verkleidete Weiße drei Schiffe im Hafen von Boston und warfen die gesamte Teeladung ins Meer. Die Überreaktion der Engländer, die den Hafen sperrten, führte zu den Kämpfen der Kolonisten gegen die Engländer und zuletzt zur Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung drei Jahre später.
Tee und Weltpolitik - darüber gibt es viel zu sagen. Doch vorher wenden wir uns unser eigenen frühwinterlichen Tea Party zu und betrachten, vielleicht mit einer dampfenden Tasse Tee vor uns:
Tee (Camellia sinensis)
Die Teepflanze ist ein immergrüner Strauch, bis 5 (9) Meter hoch. Die Blätter sind wechselständig, d.h. sie stehen sich nicht gegenüber, sondern wachsen versetzt längs der Zweige. Sie sind fünf bis 12 cm lang, elliptisch, an der Spitze abgestumpft. Die Oberseite ist glänzend dunkelgrün, die Unterseite heller und behaart. Die Blüten sind klein, 2 - 3 cm im Durchmesser, mit weißen Kelchblättern, vielen gelben Staubblättern und einem gelben Fruchtknoten. Der Tee kommt aus Blättern und Knospen - die feinfühligen Finger der Teepflückerinnen zupfen nur two leaves and a bud - zwei Blätter und eine Knospe. Der Grund, warum Tee getrunken wird, ist das Alkaloid Tein, das, dem Koffein sehr ähnlich, aber in der Wirkung etwas schwächer, als mild stimulierende Droge den Teetrinkern durch den Alltag hilft. Tee ist eine Pflanze des feuchtkühlen Bergklimas der Subtropen, seine Heimat ist China. In Indien wurde Tee erst sehr spät angebaut.
Welken, rollen, fermentieren, trocknen heißen die Schritte vom Blatt zum Tee. Frisch geerntete Teeblätter müssen unter Ventilatoren welken, d.h. sie müssen Feuchtigkeit verlieren, damit sie nicht schimmeln. Beim Rollen werden die Blätter vielfach geritzt und gebrochen - Luft muss an die aufgerissenen Zellen für die sogenannte Fermentation. Sie ist eigentlich nur eine Oxidation, also eine Reaktion der Zellbestandteile der Teeblätter mit dem Luftsauerstoff. Eine Fermentation im eigentlichen Sinne wird durch Mikroben verursacht. Bei der Fermentation des Tees auf großen Gestellen ändert sich die Farbe von grün zu braun - eine ähnliche Reaktion sieht man zum Beispiel bei aufgeschnittenen Äpfeln, die mit Luft in Berührung kommen. Bei der Fermentation (die nur wenige Stunden dauert) und der folgenden Trocknung bei hohen Temperaturen darf nichts schief gehen - hier bestimmt sich die Qualität des Tees.
Bei ihrer Verarbeitung laufen die Teeblätter durch verschiedene Maschinen - Trommeln oder Rüttelsiebe. Dabei entstehen die verschiedenen Blattgrade - der grobe Blatttee, Broken, Fanning und Dust. Fannings finden wir vor allem in Teebeuteln; die groben Blatt-Teesorten gelten als die besten. Doch auch der feine Teestaub kann sehr hochwertige Tees hervorbringen - in China wurden Dusts zu Ziegeln gepresst und mit Karawanen weit gehandelt. Teeziegel verloren auch nach Jahren nichts von ihrem Aroma.
Hübsche Blüte, doch wir wollen...
...Two Leaves and a Bud!
Die Chinesen hatten schon Jahrtausende lang Tee getrunken, bevor dieser 1580 erstmals nach Europa kam, nach Lissabon. Schon bald aber hatten die Engländer den Teewelthandel in ihrer Hand. 1820 war die Hälfte des Teewelthandels britisch, Tee wurde das englische Getränk par excellence. Die englische Ostindiengesellschaft, die John Company, wurde um 1600 gegründet; sie hatte das Handelsmonopol für Tee und Gewürze und in Indien auch die politische und administrative Gebietshoheit. Die Ostindiengesellschaft hatte auch die besten damals bekannten Frachtschiffe, die "Ostindienfahrer". Und sie hatte die besten Kapitäne und Matrosen. Die Seeleute wurden nicht, wie bei der Marine, auf die Schiffe gepresst, also praktisch zwangsrekrutiert; Offiziere durften einen Teil der Fracht privat verkaufen. Der Platz auf den Schiffen war begrenzt, daher luden die Offiziere Tee allerbester Qualität. Sie erhöhten ihren Verdienst, indem sie Zoll und Steuern "umgingen" - geschmuggelter Tee hatte in England den besten Ruf. "Die Fracht ist die Mutter der Heuer": Die Mannschaft trug das alleinige Risiko für Schiffe und Fracht. Erst nach der glücklichen Rückkehr nach England war der Lohn fällig.
Um das Schiff auf dem Meer zu stabilisieren, musste die Ladung getrimmt, d.h. Tee musste im Inneren des Schiffes mit Ballast stabilisiert und vor Nässe geschützt werden. Etwa ein Viertel der Ladung machte der Ballast aus - er sollte großes Gewicht, doch kleines Volumen haben. Dafür eignete sich u.a. geschickt gestapeltes Porzellan - es hielt den Tee im Laderaum an Ort und Stelle. Auf diese Weise kam das Porzellan nach Europa - in den angelsächsischen Ländern heißt es deshalb eben China. Über Jahrhunderte wurden riesige Stückzahlen von Porzellangeschirr, Teetassen und Kannen nach England importiert. Im 18. Jahrhundert kamen jährlich etwa 5 Millionen Stück Porzellan nach England, neben 4000 Pfund Tee. Sogenannte Kargadeure organisierten das Porzellan für die Ostindiengesellschaft. Chinesisches Porzellan war sehr billig, aber von besserer Qualität, härter und besser als europäisches. Die Europäer hatten im 19. Jahrhundert schließlich gelernt, selbst Porzellan zu produzieren. Chinesen sind bekanntlich die Erfinder des Porzellans - als die Europäer kamen, war es in China schon Jahrhunderte lang in Gebrauch. Bis um das Jahr 1800 hatten 215 Millionen Stück Porzellan den Weg von China nach England gefunden.
Tee kam bis Mitte des 19. Jahrhunderts über den Hafen von Kanton, der einzige Europäern zugängliche Hafen Chinas, das sich seit dem 15. Jahrhundert politisch vom Ausland isoliert hatte. Doch durch eine pragmatische Politik hatten Teehändler, die sogenannten Kongs, Kontakt zu den "fremden Teufeln". Sie handelten fast ausschließlich mit der Ostindiengesellschaft, die über 150 Jahre lang das Monopol auf den Teehandel hatte. Ab 1840 setzte in England dann eine liberalistische Politik ein, die Handelsmonopolen aller Art ein Ende setzte.
Bis er auf die Märkte Englands kam, war der Tee oft sortiert, gemischt, gefälscht und mit Zusätzen gestreckt worden, zum Beispiel mit Pinienrinde, Sägemehl oder Ruß. Auch Aromen wurden beigemischt: Bergamottenöl, Orangen- und Zitronenschale. So entstand der Earl Grey ursprünglich als eine Fälschung des Tees mit Aromen.
Mindestens ein Drittel der Wertsteigerung des Tees von Kanton über alle Zwischenhändler zu den Konsumenten blieb an der Ostindiengesellschaft hängen. Henry Hobhouse schreibt: "Die Ostindiengesellschaft war ein Großkonzern, von Schmugglern wie Konsumenten gehasst und verachtet, der Inbegriff eines korrupten, selbstgefälligen Monopolisten".
Über fast zwei Jahrhunderte hatte man Tee in Europa importiert, ohne dass man etwas über die Pflanze wusste - wie sie aussah, wie sie angebaut wurde, welche Pflanzenteile man verwendete, wie der Tee entstand. In Indien war Tee unbekannt, erst 1830 entdeckte man in Assam Camellia sinensis var. assamica, eine wilde Teepflanze, die bis dahin als Kulturpflanze unbekannt war. Der Teeanbau in Indien begann erst Mitte des 19. Jahrhunderts mit den Engländern.
China ist nach wie vor einer der größten Teeproduzenten, mit den meisten Sorten und legendär guten Teequalitäten (Lang Chin, Pi Lo Chun). Doch ist China kein großer Exporteur - Chinesen trinken den Tee selbst.
Größter Tee - Exporteur ist Indien mit Darjeeling und Assam als den beiden berühmten Anbaugebieten. Darjeeling mit seinen über 200 Teegärten liegt über 2000 m; sein feuchtkühles Klima ist ideal für das Wachstum des Darjeeling - Tees.. 55.000 Pflückerinnen arbeiten in den Gärten. In Darjeeling spricht man stolz davon, den besten Tee der Welt herzustellen.
Das größte Teeanbaugebiet der Welt mit 200.000 Hektar heißt Assam. Der Assamtee ist dunkel und kräftig; 1834 begründete die Assam Tea Company den indischen Teeanbau.
In Japan wird ausschließlich grüner Tee hergestellt; schon früh, 850 n. Chr., hatten buddhistische Mönche Camellia sinensis nach Japan importiert.
Sri Lanka und - überraschend - Kenia sind weitere große Teeproduzenten; Kenia gehört auch zu den größten Exporteuren.
Briten mit 2,3 kg Tee pro Kopf und Jahr und Irland mit 1,5 kg sind nach wie vor die größten Teeverbraucher. Mickrig nehmen sich hier mit 300 g die Österreicher und mit 700 g die Deutschen aus. Die Ostfriesen allerdings halten zur Zeit mit 2,5 Kg pro Kopf und Jahr den Weltrekord.
Ich hoffe, ihr führt euch meinen November - Blog mit einer guten Tasse Tee zu Gemüte!
Henry Hobhouse
Fünf Pflanzen verändern die Welt. Chinarinde, Zucker, Tee, Baumwolle, Kartoffel
1992