Donnerstag, 2. September 2010

Schwalbenwurzenzian

Pflanze des Monats September

"So düncket mir doch, als ob das grünende Reich der Gewächse….., immassen unsere Erd-Kugel, wann sie der Pflantzen entbehren sollte, gröstentheils ein bloser wüster Klumpen würde, auf der die Menschen und Thiere ihr Leben unmöglich erhalten könten".

Recht hat er, der merseburgische Domherr und Kammerrat Julius Bernhard von Rohr, der die Pflanzenwelt in seiner "Phytotheologia" von 1745 preist.

Im Rohrschen Sinne will ich in dieser kleinen Rubrik jeden Monat eine Pflanze vorstellen. Die Auswahl dabei ist willkürlich und subjektiv: die "Pflanze des Monats" wird eine der Jahreszeit entsprechende sein oder auf Ereignisse im Jahreslauf verweisen (Weihnachtsstern, Osterglocke...). Manche Kandidaten werden es wegen ihrer Schönheit auf die Seite schaffen, oder wegen ihrer Unscheinbarkeit. Oder sie haben einen unique selling point aufzuweisen, weil sie z.B. giftig sind, schmarotzend, fleischfressend, nicht totzukriegen, besonders selten oder besonders häufig, als Heilpflanze zu verwenden, zum Verzehr, zum Auflegen, Vergären und Destillieren. Der Themen gibt es viele; doch frisch gewagt ist halb gewonnen: Wir fangen an mit einer echten Beauty, der Pflanze des Monats September, dem

Schwalbenwurz - Enzian (Gentiana asclepiadea)

Zu seinem schönen Namen kam der Schwalbenwurz - Enzian, weil seine Blätter in Form und Anordnung am Stängel jenen der Schwalbenwurz ähneln, einer alten Heilpflanze. Mit "Schwalbenwurz" sind wohl die Schwanzfedern der Schwalbe gemeint. Die Blätter des Enzians sind 5 bis 8 Zentimeter lang und lanzettlich. Man nennt ihre Stellung "kreuzgegenständig", was bedeutet, dass sich jeweils 2 Blätter gegenüberstehen und die über und unter ihnen liegenden Blätter in einem Winkel von 90 ° zu ihnen . Hier haben wir eine der vielen Strategien vor uns, mit denen Blätter an mehr Licht gelangen: dadurch, dass die Blätter versetzt am Stängel sitzen, werfen sie auf die unter ihnen sitzenden keinen Schatten.

Der Schwalbenwurz - Enzian blüht im Spätsommer und Herbst. Wenn andere Blumen ihre Samen längst gebildet haben und die Gräser der Wiesen schon braun sind, leuchten seine strahlend blauen (enzianblauen!) Blüten schon von weitem. Der Schwalbenwurz - Enzian wird bis zu einem Meter hoch; an seinem Stängel sind die Blüten bis zu dreien in einer Blattachsel angeordnet. An einem einzigen Stängel können ein Dutzend Blütenköpfe oder mehr sitzen. Die Stängel wachsen zu mehreren aus der staudigen Pflanze .Auch einzeln stehende Stängel kommen vor. Auf einem Seminar habe ich kürzlich (wieder) gelernt, was eine Staude ist: eine mehrjährige, nicht verholzte Pflanze.

Der Schwalbenwurz - Enzian ist in den Moosen und Streuwiesen am Fuß der Nordalpen weit verbreitet. Im den Alpen kommt er auf Almwiesen, in Latschengebüschen und Niedermooren und in lichten Wäldern vor. Selber kenne ich Standorte im Murnauer Moos, im Kochelmoos, am Herzogstand, im Burgumer Tal im Pfitsch, auf der Rannerböschung in der Steiermark, am Semmering. Der Schwalbenwurz - Enzian gilt mancherorts als gefährdet, vor allem weil bestimmte Lebensräume (Moore, Streuwiesen) weniger werden oder weil Almen durch den Rückgang der Beweidung zuwachsen.

Erfreut euch am Anblick des Schwalbenwurz - Enzians auf euren frühherbstlichen Wanderungen!



Viele Stängel, aus einer Staude wachsend
  
  

                                               Enzianblaue Blüten, kreuzgegenständige Blätter

                                           
Text: Angelika Schneider
 Fotos: Angelika Schneider (1), Wolf Schröder (1)