Freitag, 29. September 2017

Rosmarinheide

Die Rosmarinheide (Andromeda polifolia) muss ein Model sein – so dünn das Stämmchen, so rosig das Köpfchen. Zu essen braucht sie auch nichts, sie steht ja zwischen Torfmoosen im Hochmoor, wo der Boden so arm, die Mineralstoffe so selten sind, dass nur Hungerkünstler überleben.
Torfmoose haben große leere Zellen, die sich mitWasser füllen. Das gibt ihnen eine schwammartige Struktur. Sie nehmen Mineralsalze aus dem Wasser auf, gleichzeitig geben sie Säuren an die Umgebung ab. Sie schaffen so eine extrem saure Umgebung – so sauer, dass auch kaum Bakterien überleben. Deshalb werden abgestorbene Pflanzenteile nicht zersetzt – Torfmoose wachsen also auf den Leichenbergen ihrer Vorfahren immer mehr in die Höhe. Es entstehen Hochmoore – näher beschrieben im Kapitel über Wollgras im Eulenblick. Die Rosmarinheide überlebt in dieser Säurehölle mit Hilfe von Pilzen an ihren Wurzeln, der sog. Mykorrhiza, die ihr hilft, doch ein paar Mineralsalze zu erschließen.
Silbrig glänzende Blattunterseiten, aus Tormoosen wachsend
Die Rosmarinheide, ein immergrüner Zwergstrauch, gehört zur Familie der Erikagewächse, wie viele andere Zwergsträucher auch, zum Beispiel Erika, Heidekraut, Preiselbeere, Moosbeere, Krähenbeere. Mit der Gewürzpflanze Rosmarin, einem Lippenblütler, ist sie nicht näher verwandt. Doch die Blätter der beiden Pflanzen ähneln sich – sie sind lang, schmal, spitz, oben glänzend grün, unten mit weißen Streifen versehen. Letztere lassen die Rosmarinheide aus den Torfmoosen hervorschimmern.
Ihre Blüten sind rosa-weiße Glöckchen, die sich zu zarten roten Fruchtständen mit vielen winzigen Samen ausbilden.
So rosig das Köpfchen....
...so zart die Frucht.
Zusammen mit den roten Moosbeeren und den zwischen grün, braun und rot changierenden Torfmoosen bildet die Rosmarinheide gerade im Herbst wunderschöne Ensembles, kaum fußhohe kleine Pflanzenwelten.
Kleine herbstliche Pflanzenwelten
Karl von Linné, der schwedische Naturforscher und Entdecker des Ordnungssystems der Organismen liebte die Pflanze, die in den skandinavischen Mooren weit verbreitet ist. Er benannte sie nach Andromeda, der Prinzessin aus der griechischen Mythologie, Tochter der Kassiopeia und Frau Perseus‘; nach anderer Lesart dachte Linné an das Sternbild der Andromeda, das am Nordhimmel die Gegenden überspannt, in denen die Rosmarinheide wächst.
Die Rosmarinheide ist stark giftig. Sie enthält Andromedotoxin und verschiedene Glykoside. Aus Österreich sind einige – nicht tödliche – Fälle von Vergiftungen mit Honig bekannt, die Pollen von Rosmarinheide enthielten.
Ein alter deutscher Name für die Rosmarinheide ist „Polei-Gränke“. Polei scheint aus dem Slawischen zu kommen von „polje“ für Feld – hier wohl für die offenen Moorflächen, wo die Gränke wächst. Die Bedeutung des Wortes „Gränke“ konnte ich nicht herausfinden. Vielleicht kommen ja Ideen aus der werten Leserschaft.
 
Abb.:
Angelika Schneider 3
Hajatthu 1