Sonntag, 16. September 2012

Ölbaum


Ölbaum 

Olea europaea

 

Die Ölbäume sind wunderliche Pflanzen; sie sehen fast wie Weiden, verlieren auch den Kern, und die Rinde klafft auseinander….Das Blatt ist weidenartig, nur wenige Blätter am Zweige.
Goethe, Italienische Reise, 1786


Die Blätter sehen fast wie Weiden.....
 
"Fast wie Weiden …“, damit meinte Goethe die lanzettlichen, graugrünen Blätter der Olive, die locker an den Zweigen sitzen. Unverwechselbar ist der Baum vor allem durch seinen knorrigen Wuchs und sein stark gemasertes Holz, mit dem hellen Splint und dem dunklen Kern. 90 % der Oliven werden heute zu Öl verarbeitet, der Rest wird gegessen. In der Antike war Olivenöl auch die wichtigste Lichtquelle, davon zeugen die von Archäologen überall im Mittelmeerraum ausgegrabenen Öllämpchen. Olivenöl diente auch zur Körperpflege; die Sportler Olympias salbten ihre Körper damit.



Starke Maserung
 

Baum der Zivilisation


Der Olivenbaum ist seit der Antike über den ganzen Mittelmeerraum verbreitet. Er ist ein Symbol für das Mediterrane, für das gemeinsame Erbe des Römischen Reichs. Die Römer verbreiteten die Kulturen über ihr ganzes südliches Herrschaftsgebiet, über Italien nach Spanien, Portugal und Nordafrika.
 
Erbe der Römer: Olivenhaine und Weinberge in der Toskana

Doch es waren die Griechen, die den wilden Oleaster, eine Pflanze der Macchia mediterranea, als erste domestizierten. Der Ölbaum war der Baum Pallas‘ Athenes, der Göttin der Stadt. Ölbaumkulturen lagen in der Nähe der Siedlungen, sie waren ein Zeichen für die Kontrolle der Stadt über den Raum, der Zivilisation über die Wildnis.
 

Baum der Ewigkeit


Der Ölbaum war die Pflanze der Unsterblichkeit – er wird Hunderte von Jahren alt, fault aus dem Inneren, ohne abzusterben und wenn man ihn umschneidet, treibt er aus dem Stock wieder aus. Wir sehen in den Plantagen keine tausendjährigen Bäume stehen, doch können immer wieder zurückgeschnittene Individuen so alt oder älter werden.

Die Bauern der Toskana haben den Januar 1986 noch in böser Erinnerung. – 24° hatte es in Florenz, der Arno war zugefroren. 70 % der Ölbäume waren erfroren, Jahrhunderte alte Bäume eingegangen. Dieses Ereignis war eine Zäsur im toskanischen Olivenanbau. Eine Modernisierung und Intensivierung des Anbaus setzte ein.  Oft tritt man Olivenplantagen an, wo die Schnittstelle am Boden von 1986 noch gut zu sehen ist.
 


Ewiger Ölbaum: Treibt aus dem Stock immer wieder aus; hier nach dem Winter 1986
Unbeugsam und unsterblich, dazu mit immergrünen Blättern versehen – der Olivenbaum war Symbol des Krieges und Sieges.

Heutzutage verspricht der Baum in einem anderen Zusammenhang, zusammen mit Nordic Walking und Gehirnjogging,  Unsterblichkeit – über die herzschützenden ungesättigten Fettsäuren in seinem Öl. An irgendetwas sterben die Leute letztlich trotzdem, man fragt sich aber, woran bloß?

 

Baum des Kaltgepressten


Das Wissen über kaltgepresstes Olivenöl als Distinktionsmerkmal des urbanen, kosmopolitischen, arrivierten und linksgewendeten Babyboomers ist längst zu einem Klischee geronnen. „Es ist etwas rings um Olivenöl, das Leute irrational handeln lässt“, sagt Tom Mueller, der 2007 in seinem Artikel Slippery Business im Magazin The New Yorker über Olivenölgeschäfte, Panscherei und Betrug schrieb. Irgendwie haben mir die Fakten, die er zusammengetragen hatte, den Appetit auf Olivenöl nachhaltig verdorben.
 

Hier gerinnt das Klischee.....Ölpresse in der Ölmühle, dem Frantoio
Kalt gepresst war ursprünglich alles Olivenöl, das in einem frantoio, einer Ölmühle gemahlen und durch Pressen gefiltert wurde. Erst im Industriezeitalter kam man auf die Idee, mit heißem Wasser und – horribile dictu – Lösungsmitteln wie Benzin aus der gepressten Olivenmaische noch die letzten Öltröpfen zu holen und die verschiedenen Extrakte zu kategorisieren.

Das Olio extra vergine d’Oliva ist das beste Öl aus der ersten, kalten Pressung. Davon ist so viel auf dem Markt, wie alle Ölbäume dieser Erde in Jahrhunderten nicht liefern könnten. Immer wieder wird gepanschtes Öl vom Markt genommen. In Erinnerung ist der große Olivenölskandal in Spanien von 1981 mit 750 Toten und mehr als 25.000 Vergifteten!

Wie kommt man an gutes Olivenöl? Am besten wohl direkt beim Produzenten oder über Recherchen im Internet und Fachzeitschriften. Also, guten Appetit!

 

Der Eulenblick macht Pause

Nach über zwei Jahren, viel Arbeit und vielen schönen Rückmeldungen der geneigten Leser, muss der Eulenblick für eine Weile pausieren, da die Verfasserin einen größeren Brocken - endlich- fertig stellen will. Also, auf bald, verehrtes Publikum!