Samstag, 21. März 2015

Brotfruchtbaum

Brotfruchtbaum
Artocarpus altilis

Weltreich der Botanik

In den Jahrzehnten nach seiner Rückkehr von der Expedition auf James Cooks Endeavour (s. Post vom Februar 2015) setzte Joseph Banks Einfluss und Vermögen ein, um den Aufstieg Englands zum Weltreich voranzutreiben. Er wurde zu einem der bedeutendsten Vertreter der Aufklärung im Königreich. Banks‘ Haus am Soho Square wurde zum Zentrum der botanischen Wissenschaft und Treffpunkt von Wissenschaftlern aus aller Welt. Täglich traf man sich hier beim Lunch zu gelehrten Gesprächen und üppigen Mahlzeiten. Banks, der einmal als der schönste Mann Englands gegolten hatte, trug schon bald eine ansehnliche Wampen vor sich her. Die Gäste arbeiteten in der gigantischen, 20.000 wissenschaftliche Werke bergenden Bibliothek oder im Herbarien-Saal, wo Tausende getrockneter Pflanzen aus aller Welt auf ihre Erforschung und Klassifizierung warteten. Banks spann ein Netz von Kontakten zu Pflanzenlieferanten aus aller Welt: Händler, Diplomaten und Missionare schickten Pflanzen und Samen, auch Kapitän Cook brachte von seinen weiteren Reisen neue Spezies mit. Die neuen Zier- , Nutz- und Gartenpflanzen lösten zuerst im Adel, dann im Bürgertum die an eine milde Form von Irrsinn grenzende Hingabe der Engländer ans Garteln aus. *

Auch der König schätzte seinen Mann: 1773 ernannte George III ihn zum Supervisor der königlichen Gärten von Kew, 1778 zum Präsidenten der Royal Society, der ruhmreichen Akademie der Wissenschaften. Über vier Jahrzehnte sollte er ihr vorstehen; kein Geringerer als Isaac Newton war einer seiner Vorgänger.



Er liebt Jackfrucht

 
Als Folge des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges waren in der Karibik Getreidelieferungen ausgeblieben. Auf den amerikanisch-englischen Zuckerrohrplantagen verhungerten in den Jahren 1780-1787 15.000 Menschen, die meisten davon Sklaven. Auf Auswege sinnend, erinnerte sich Joseph Banks  der Brotfrucht oder Jackfrucht, die er auf Haiti kennengelernt hatte, als Kohlenhydratlieferant und Grundnahrungsmittel. Er hielt die Frucht für ideal, um die Sklaven der Karibik ("Westindiens") zu ernähren, um sie gesund und kräfig zu erhalten, damit sie auf den Plantagen umso besser schuften konnten.

Das Panem aus Nesien

Der Brotfruchtbaum stammt aus Südostasien, genauer aus Poly-, Micro- und Melanesien. Schon vor 3000 Jahren wurde die Pflanze auch in Südindien und Sri Lanka angebaut. Auf Hawaii ist sie seit mindestens 1000 Jahren bekannt. Ihr Name sagt es: Die Früchte des Brotfruchtbaums (Jackfruit - Jackfrucht) sind in den Tropen ein weit verbreitetes Grundnahrungsmittel; sie werden bis 6 kg schwer.

Der Baum wird bis 20 m hoch, die Blätter sind gelappt und bis 60 cm lang. Sein Anbau ist unkompliziert, aus Stücken von Wurzelsprossen oder -Schösslingen treiben neue Pflanzen aus. Der Brotfruchtbaum beschattet den Boden und schützt ihn mit seinen Wurzeln vor Erosion durch die tropischen Regenfälle. Dort, wo der Baum andere Feldfrüchte ersetzt, reduziert er auch die für die Fruchtbarkeit und den Erhalt des Bodens gefährlichen Brandrodungen.


Brotfrucht- Blatt, Blüte, Frucht
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kartoffel der Karibik

Nach drei bis fünf Jahren trägt der Brotfruchtbaum erste Früchte; danach noch Jahrzehnte lang. Je nach Sorte ist die Schale der Früchte glatt, rauh oder stachlig.

Außerst vielfältig ist auch die Art der Verwendung. Die Frucht kann in jedem Reifestadium genossen werden, unreif als Gemüse oder Mus, reif als ganze rohe Frucht oder getrocknet und zu Mehl vermahlen. Man kann die Jackfrucht frittieren, braten, backen oder kochen - eine Kartoffel der Karibik.
Auf Hawaii forscht das an den dortigen Botanischen Garten angeschlossene Breadfruit Institute an der Brotfrucht und fördert deren Verbreitung weltweit in den Tropen. Dort werden alle der Dutzende von Varietäten gezüchtet und gesammelt (Breadfruit Collection) oder in der Global Nutrition Initiative eingesetzt.

Autoritäte Autorität

Joseph Banks machte den Lobbyisten für die westindischen Plantagenbesitzer, die den Transport der Brotfrucht in die Karibik nicht selbst finanzieren wollten. Schließlich rüstete die Krone ein Schiff aus, das Brotfruchtsamen und –Stecklinge von Tahiti nach Westindien bringen sollte. Joseph Banks bestimmte bis ins letzte Detail, wie das Vorhaben ablaufen sollte. Er hatte die Autorität – und er war autoritär, übte die die totale Kontrolle aus. Das Schiff war eine schwimmende Gärtnerei, der Bug voller Fässer, die in Tahiti mit bestem Wasser gefüllt werden sollten, damit David Nelson, der von Sir Joseph mitgeschickte Gärtner, die Stecklinge vom Salzwasser reinigen konnte. Das faulige Wasser, das die Matrosen bekamen, war einer der Gründe für die späteren Geschehnisse auf dieser Fahrt; die Umwandlung der Kapitänskajüte in ein Treibhaus für Brotfruchtpflänzchen und die Verbannung des Kapitäns in eine fensterlose Koje ein weiterer. Im entscheidenden Moment fehlte dem Kapitän das, was Joseph Banks im überreichen Maße besaß – seine Autorität. Dazu kam, dass das Schiff ohne bewaffnete Marineinfanteristen unterwegs war, die am 28. April 1798 die Ruhe auf dem Schiff hätten gewährleisten können, als das Unglück seinen Lauf nahm. Viele werden es ahnen:  Der Kapitän war William Bligh, der Anführer der Meuterer Christian Fletcher und das Schiff war die Bounty.

Im September 1787 war sie in See gestochen. Die Reise stand von Anfang an unter einem schlechten Stern. Bligh scheiterte mehrmals mit dem Versuch, Cap Horn zu umschiffen. Er änderte daraufhin seine Route, segelte nach Osten über den Atlantik und um das Cap der Guten Hoffnung. Er näherte sich Tahiti von Westen – dadurch verlängerte sich die Route um 10.000 Seemeilen. Letztlich erreichte er die Insel, 1500 Stecklinge des Brotfruchtbaum wurden geladen; die Bounty segelte Richtung Jamaica. Nie sollte sie dort ankommen; sie hatte sich in den Weiten des Pazifiks verloren.

Fletcher Christian setzt Bligh und seine Getreuen auf dem Pazifik aus

Anfang 1790 erhielt Joseph Banks einen Brief von Kapitän Bligh – aus Batavia, dem heutigen Indonesien. Geschwächt von der Malaria, schrieb Bligh von seinen und seines Schiffes Fährnissen: Drei Wochen nach der Abfahrt von Tahiti hatte ein Teil der Mannschaft eine Meuterei angezettelt, unter der Leitung des 2. Offiziers Fletcher Christian. Bligh, dessen Autorität völlig dahin war, war von den Meuterern zusammen mit 16 Getreuen, darunter Nelson, dem Gärtner, auf einer 7 m langen Schaluppe auf dem Ozean ausgesetzt worden. Nach 48 Tagen und fast 4000 Seemeilen strandeten sie in Timor. Dort starb Nelson am Fieber. Bligh und die seinen gelangten schließlich nach Batavia und von dort zurück nach England.
Joseph Banks war kein Mann, der aufgab. Nach zwei Jahren stach Bligh erneut in See; diesmal gelangten 600 Brotfruchtbäumchen von Tahiti in die Karibik, nach Saint Vincent und Jamaica. Bald wurden überall in den Zuckerrohrplantagen Brotfrüchte angebaut, obwohl die Sklaven sie nicht recht mochten. Literarisch aufgearbeitet und oft verfilmt, wurde die Meuterei auf der Bounty zur Legende. Dass eine Pflanze wie die Brotfrucht und die Obsession eines Mannes die letzte Ursache waren, ist heute kaum bekannt.

 

*The Brother Gardeners: A Generation of Gentlemen Naturalists and the Birth of an Obsession Paperback – March 9, 2010 by Andrea Wulf
Fotos: Wikimedia Commons (2), Breadfruit Institute (1)

Sonntag, 1. März 2015

Sägezahnbanksie

 

Sägezahnbanksie

Banksia serrata

Unsere Pflanze des Monats kommt aus Australien. Für europäische Augen hat sie wie viele Gewächse aus Down Under ein einigermaßen bizarres Aussehen. Doch zuerst wollen wir einen Blick auf ihren Namenspatron werfen, auch er ein bemerkenswertes Gewächs aus England.


Sägezahn-Banksie: Blütenstand thront über Sägezahnblättern

Botanisieren geht über Studieren

"Ich habe mir vorgenommen, mir drei Jahre an Zerstreuung zu gewähren, um ich meiner bevorzugten Tätigkeit zu widmen." So Joseph Banks (1743-1820), englischer Gentleman, reicher Privatier und einer der größten Großgrundbesitzer Englands. Die "bevorzugte Tätigkeit" Banks' war das Sammeln und Klassifizieren von Pflanzen. Als Student an der Universität Oxford sah man ihn selten in Vorlesungen, oft in Wäldern, Auen und Wiesen: Botanisieren ging über Studieren.


Sir Joseph Banks 1743-1820

1768, mit 25 Jahren, kaufte er sich mit 10.000 Pfund in die berühmte ersten Expedition James Cooks auf der Endeavour ein. Dort wollte er sich seine drei Jahre lang zerstreuen. Das war nicht einfach: Auf der 26 Meter langen Endeavour drängten sich über neunzig Seeleute. Banks kam dazu, doch war er nicht allein: Zwei Pflanzenmaler, ein Sekretär und - so viel musste einem Gentleman zugestanden werden - vier Diener kamen mit. Wichtigster Reisegefährte aber war der schwedische Botaniker Daniel Solander, wissenschaftlicher Zögling des größten seiner Zunft, Carls von Linné, dem Erfinder der binären Nomenklatur zur wissenschaftlichen Klassifizierung der Arten ("Homo sapiens"). Dem eitlen und eifersüchtigen Linné passte es gar nicht, dass Solander mit Banks ins Abenteuer zog.


Daniel Solander 1733-1782

Zwei Hauptziele hatte Cooks Expedition, die Beobachtung des Venusdurchgangs vor der Sonne von Tahiti aus und die Landung auf der Terra Australis Incognita, dem heutigen Australien. Der Durchgang der Venus vor der Sonne wurde von verschiedenen Punkten der Erde aus beobachtet; der Vergleich der Daten erlaubte präzisere Entfernungsmessungen im Planetensystem.

Manisch-obsessiver Müßiggang

1769 ankerte die Endeavour also vor Tahiti. Banks und Solander sammelten Pflanzen im Hinterland, über 300 Arten waren zuletzt wissenschaftlich klassifiziert. Die Endeavour fuhr weiter über den Pazifik und landete im April 1770 an der Ostküste Australiens, in jener Bucht, die heute noch Botany Bay heißt.


Das Original, von Joseph Banks in Botany Bay gesammelt

Nach der Ankunft waren Banks und Solander die Augen übergegangen angesichts der schrägen australischen Flora. Bäume, die ihre Rinde abwarfen und doppelt so hoch wurden wie die höchsten Bäume Englands - die Eukalypten. Blüten mit vielen leuchtendroten Griffeln, das Bottlebrush oder Flaschenbürstchen, dazu Riesenfarne, Schlingpflanzen, Orchideen. Wie euphorisiert liefen sie auf der Suche nach immer neuen Arten durch den australischen Busch. Joseph Banks, der reiche Mann, der Arbeit in klassischem Sinn nicht nötig hatte,  verwandelte sich in einen manisch-obsessiven Müßiggänger (küchenpsychologisch ausgedrückt).

Am Ende der Reise hatte Banks 3600 verschiedene Arten gesammelt, 1400 davon waren noch nicht wissenschaftlich klassifiziert und beschrieben.

Dazu gehörten auch vier Arten der Gattung Banksia, die er und Solander an der Botany Bay gesammelt hatten. Insgesamt gibt es an die 80 Banksia-Arten, die meisten davon an der Südwest- und Südostküste Australiens.



Jedes Röhrchen ist eine Blüte; zu Hunderten bilden sie den auffälligen Blütenzapfen

Im Englischen heißt unsere Pflanze Old Man Banksia wegen der struppigen trockenen Blütenstände; der deutsche Name Sägezahn-Banksie weist auf die gezähnten Blattränder hin, ebenso wie der lateinische Artname serrata.

Die Banksie ist ein knorriger Baum, bis 15 m hoch; an windigen Küsten ist sie oft nur ein niedriger Strauch. Aus dem Stamm mit der grauen Rinde tritt nach Verletzungen ein roten Rindensaft aus. Ältere Bäume weisen oft Brandwunden auf, wegen der Buschbrände im höllischen australischen Sommer. Silbergraue Blüten mit beigen Griffeln bilden die charakteristischen zylindrischen Blütenzapfen aus. Nach der Blüte entwickeln sich bis zu 30 verholzte Follikel, die ein bis zwei Samen enthalten. Abortierte verwitterte Blütenreste werden zu silbrig-haarigen Anhängen (der "Alte Mann"). Die Blätter sind bis 20 cm lang, 2 bis 4 cm breit; sie büscheln sich an den Enden der Zweige. Die Befruchtung übernehmen verschiedene Nektarvögel, wie der Weißbauch-Honigfresser, die mit ihren dünnen gebogenen Schnäbeln den Nektar aus den Blütenröhrchen schlecken.






Bin ich nicht schräg? Holzfollikel enthalten die Samen, trockene Blüten bilden den "Bart"

Die erste Sägezahnbanksie wurde am 29. April 1770 von Joseph Banks und Daniel Solander hinter Botany Bay gesammelt, doch erst im April 1782 in England zum ersten Mal wissenschaftlich beschrieben, vom "kleinen" Carl von Linné, der nach dem Tod des großen sich in Banks' Haus aufhielt und ihm das Herbar des Vaters überlassen hatte.

Nach seiner Rückkehr nach England entfaltete Joseph Banks die vielfältigsten Aktivitäten und schlüpfte in viele Rollen: Salonlöwe, Wissenschaftler, Kulturschaffender, Freund des Königs und Vorsitzender der Royal Society, der glorreichen Akademie der Wissenschaften. Nur einmal noch sollte er ein Schiff besteigen, nach Island, doch ist sein Name heute vor allem mit einer berühmten Episode in der weiteren Geschichte der Schifffahrt verbunden, in der es - natürlich - wieder um eine Pflanze ging.

Doch darüber nächstes Mal mehr!