Sonntag, 27. Mai 2012

Weißdorn


Weißdorn
Crataegus monogyna
Crataegus laevigata

Prince Charles and His Twiggy

Europäer sind Kummer gewöhnt mit ihren Monarchen: Der Schwede ..."verkehrt" im Rotlichtmilieu, der Spanier mahnt sein Volk, Opfer zu bringen, er opfert Elefanten und, noch schlimmer, Charles, Prince of Wales und zukünftiger König Englands, Großbritanniens und des Commonwealth, spricht mit Pflanzen.

Was wird er zum blühenden Weißdornzweiglein sagen, das man ihm, wenn er König sein wird, jeweils am Weihnachtstag überreicht? "Sting me!" oder: "Monogyna or laevigata, that is the question."?


Ein Weißdorn ist ein Weißdorn ist ein Weißdorn: zweigriffelig (oben), eingriffelig (unten)




































Ja, das ist die Frage: Auch für Experten ist es schwer, die beiden bei uns in Mitteleuropa am häufigsten vorkommenden Weißdornarten auseinanderzuhalten, den zweigriffeligen (laevigata) und den eingriffeligen Weißdorn (monogyna). Manche Botaniker sprechen sogar vom "Crataegus-Problem". Die verschiedenen Arten kreuzen sich untereinander und nehmen Merkmale des jeweils anderen an, was sich zum Beispiel in seltsamen Blattformen, verschiedenen Behaarungen der Zweige, Länge der Dornen und Aufbau der Blüten auswirkt. Doch soll uns das nicht weiter kümmern: ein Weißdorn ist ein Weißdorn ist ein Weißdorn. Zunächst wollen wir die Sache mit dem weihnachtlichen englischen Weißdornzweiglein klären. In seinem überaus detailreichen Buch "Mythologie der Bäume" berichtet Jacques Brosse von einer Legende, die sich um den Weißdorn rankt. Sie geht ungefähr so:

Joseph in England

Entgegen verbreiteter Annahme sind Leute auch in früheren Zeiten weit herumgekommen. Joseph von Arimathäa zum Beispiel, der Jesus bestattet hatte, ging im Jahr 63, von Palästina kommend, in England an Land und gründete in Somerset das Kloster Glastonbury. Die Weisung dazu, überbracht durch den Erzengel Gabriel, kam von ganz oben. Im weiteren, vielfach verwickelten Geschehen tauchen dann folgende Personen auf: König Artus mit den Rittern seiner Tafelrunde, Ginevra, Joseph von Arimathäa, Longinus (der mit der Lanze), die Tochter des Longinus, Julius Cäsar, dessen unehelicher Sohn Longinus sein sollte und Igerne von Cornwall, Josephs Tochter und Artus' Mutter.

Nur schade, dass Naturwissenschaftler nicht gerne an Legenden glauben.

But anyway - 1184 ließ die göttliche Wachsamkeit einen Moment nach, worauf Kloster Glastonbury niederbrannte.

Übrig blieb der "wunderbare Weißdorn" (Jacques Brosse), der in Weary-all-Hill oberhalb Glastonburys wuchs. Er entwuchs dem Stab, den Joseph dort in die Erde gesteckt hatte, um den Platz zu markieren, an dem das Kloster stehen sollte. Einen solchen Beweis für die Anwesenheit Josephs kann nicht einmal ein Naturwissenschaftler ignorieren!

Pünktlich am Tag vor Weihnachten blüht der Weißdorn und der König (und natürlich auch die Königin) bekommt einen Zweig  überreicht.

Blüht im Mai: der Hagedorn
Weißdorne sind Sträucher oder kleine Bäume, die im Mai mit ihren weißen Blüten aus Hecken und von Waldrändern leuchten. Der Weißdorn trägt auch den schönen Namen "Hagedorn". Ein Hag ist ein von Hecken umzäuntes Gelände. In weiten Teilen Mitteleuropas sind solche Landschaftselemente selten geworden - die Flurbereinigung hat Hag und Hecke "bereinigt". In England prägen Hage (enclosures) noch die Countryside. Sie entstanden im Mittelalter, ab dem 14. Jahrhundert. Böden der Allmende wurden damals privatisiert, durch Hecken abgetrennt. Im Inneren beherbergten sie Äcker oder Viehherden, Schafe und Rinder. Auch in Nordfrankreich finden wir historische Heckenlandschaften (bocages). Die ästhetische Wirkung solcher Hecken (in Norddeutschland Knicks genannt) ist kaum zu überbieten.

Der Weißdorn ist also vom Menschen verbreitet worden. Auch in Weideflächen kann er sich ausbreiten, weil ihn das Vieh wegen seiner Dornen stehen lässt.
Mittelalterliche englische Enclosures und ....










...nordfranzösische Bocages






Weißdorne in Hecken erfreuen das Herz der Naturschützer. Sie sind Heimat für viele Arten: Zwischen ihren Dornen  brüten Singvögel sicher vor Marder, Katze und Wiesel. Neuntöter spießen auf den Dornen ihre Mahlzeit auf - Insekten und Mäuse. Da und dort gibt es auch Bemühungen, alte Hecken zu restaurieren.
Der Weißdorn steht oft auf Weiden

Die weißen runden Blüten des Weißdorns stehen zu mehreren in sog. Doldenrispen. Die Blätter sind mehr oder weniger tief eingebuchtet und gezähnt, drei bis vier cm lang. Die Früchte sind kleine rote sog. Apfelfrüchte. Sie können zu Gelee verarbeitet werden. In Hungerzeiten wurde das getrocknete Fruchtfleisch auch gemahlen und ins Mehl gemischt.

Weiße Doldenrispen, gebuchtete Blätter

























Blätter und Blüten gelten als herzstärkend. Im Vorabendprogramm wird zwischen Treppenlift und Hörgeräten gerne "Crataegutt" angepriesen, das älteren Herzen wieder auf die Sprünge helfen soll.